IL BARBIERE DI SIVIGLIA, STAATSOPER MÜNCHEN, 26.05.2014
Nur weil ein sogenannter Star absagt, heißt das noch lange nicht,
dass eine Aufführung schlecht sein muss. So geschehen in München. Juan
Diego Florez war vorgesehen und wurde durch den eher unbekannten Eduardo Rocha
ersetzt. Letzterer ergriff die Gelegenheit beim Schopf und lieferte
eine sehr respektable Gesangsleistung ab. Ein hoher
schlank-geführter Tenor mit angenehmem Timbre und sicher gesungenen
Koloraturen vermochte durchaus für sich einzunehmen. Auch das engagierte
Spiel Rochas konnte den positiven Eindruck abrunden. Schade war nur,
dass man Almavivas große Arie am Ende verzichtet hatte - diese hätte ich
dem Sänger durchaus zugetraut.
Mit Kate Lindsey war
auch die Rosina an diesem Abend sehr gut besetzt. Sie verfügt über einen
dunklen, klangvollen Mezzo und sang die Koloraturen sehr sauber und
virtuos. Auch darstellerisch nahm man ihr sowohl das freche Gör, als auch das
verliebte Mädchen gleichermassen jederzeit ab. So soll es sein.
Rodion Pogassovs
Faktotum Figaro hat einen hellen, sehr schönen Bariton, der stimmlich
keine Wünsche offen ließ, allerdings hätte ich mir von seinem Figaro
etwas mehr Schlitzohrigkeit gewünscht um restlos überzeugen zu können.
Renato Girolami als
Bartolo ist derzeit wohl unübertroffen. Er scheint das Buffo-Talent im
Blut zu haben und kostete die diesbezüglich in dieser Inszenierung
gegeben Freiheiten voll aus. Das war nicht nur ein boshafter,
schrulliger alter Mann, sondern ein Mensch der alles darum geben würde,
mit der jungen Generation noch einmal mithalten zu können. Köstlich
seine Wutausbrüche, in denen er als "Dottor' della mia sorte"
vergeblich versuchte, sich als Autorität in Szene zu setzen.
Leider
konnte Peter Rose als Basilio trotz engagiertem Spiel
nicht ganz auf diesem Niveau mithalten. Man vermisste bisweilen das
verschlagene, ja dämonische in dessen eher trocken timbrierten Bass, so
dass das Gift der Calunnia bisweilen seine Wirkung verfehlte.
Trotz angestrengter Höhe trug Hanna Elisabeth Müller
als koloraturniesende Berta mit ihrem komödiantischen Talent viel zum
Gelingen der Aufführung bei.
Während der Chor als liebevoll im Stil des 18. Jahrhunderts kostümierte Soldatentruppe mit Bravour sang und spielte, hätte ich Antonello Allemandi am Pult an diesem Abend etwas mehr Geist gewünscht, um Rossinis Juwelen restlos zum Funkeln zu bringen.
Während der Chor als liebevoll im Stil des 18. Jahrhunderts kostümierte Soldatentruppe mit Bravour sang und spielte, hätte ich Antonello Allemandi am Pult an diesem Abend etwas mehr Geist gewünscht, um Rossinis Juwelen restlos zum Funkeln zu bringen.
Immer noch als mustergültig zu
bezeichnen ist Feruccio Soleris hinreißende Inszenierung aus dem Jahr
1989. Ganz in der Tradition der Commedia dell' Arte verhaftet, setzt sie
auf spontane Situationskomik und ehrliche Emotionen. Alles ergibt sich
aus der Musik und wird in den Rezitativen durch die wunderbaren
Improvisationen am Cembalo unterstützt. Von platten Gags, wie man sie
heute in Rossini-Inszenierungen erleben muss, bleibt man dabei
glücklicherweise verschont. Ehrliche Emotionen und aufrichtiger Humor
führen hier zurück zu dem, was die Oper sein sollte: ein
Gesamtkunstwerk. Dazu trägt auch das liebevoll gestaltete, wunderschöne Bühnenbild von Carlo Tommasi
bei. Ein sich drehendes herrschaftliches Haus in Sevilla zollt nicht
nur den Vorgaben des Librettos Respekt, sondern ermöglicht auch
reibungslose Szenenwechsel. Wunderschön und intelligent auch Ute Frühlings
Kostüme, die alles in sich vereinen: Commedia dell'Arte,
gesellschaftlichen Stand und Hinweise auf den Charakter der Protagonisten. Man kann nur
hoffen, dass diese wunderbare Produktion noch lange erhalten bleibt und
auch künftigen Generationen zeigt , was Oper sein kann und sein
sollte.
Wer so etwas wunderbares und wertvolles als langweilig, nicht
mehr zeitgemäß oder gar verstaubt bezeichnet, beweist nicht nur
mangelnde Kenntnis von Rossinis Werk, sondern sollte sich vielleicht fragen, ob er in der
Oper überhaupt richtig ist.