Montag, 1. September 2014

Verdi, Rigoletto, 2013, Klassi Festival Schloss Kirchstetten, Weinviertel, Österreich
Ein Abend beim KlassikFestival Kirchstetten

„literarische Kritik“ von Alexandra Zumoberhaus
Man kann sehr unterschiedliche Zugänge zu den diversen Sommer-Festivals haben.
Mein Opernabend (Verdi´s „Rigoletto“ im Schloss Kirchstetten) beginnt mit der Auto-Anreise von Wien und ich geniesse bei schönem und mildem Sommerwetter die herrliche Landschaft des Weinviertels. In Kirchstetten angekommen lohnt es sich, den „Schloss-Heurigen“ zu besuchen, denn das Preis-Leistungsverhältnis lässt wirklich nicht zu wünschen übrig; unsere Gläser sind gefüllt, die Teller versprechen optisch so viel, wie sich dann auch der Gaumen erfreuen lässt: kurz, es ist ein genüsslicher Auftakt zu einer Opernaufführung.
Was erwartet mich? Als Operntraditionalistin habe ich mich gut informiert und weiss, dass „Oper im Taschenformat“ mir keine opulent-historischen Bühnenbilder und Kostüme bescheren wird! Was erwartet mich also wirklich im Maulpertschsaal, der nur eine 20 qm grosse „Bühne“(in diesem Fall ein Podest, ein minimal reduziertes Orchester und Platz für nicht einmal 200 Zuschauer (und –hörer, hoffentlich!) bietet?
Darauf lasse ich mich mit Spannung und grosser Vorfreude ein.
Und meine Vorfreude wird auch nicht enttäuscht!
Zuerst aber darf ich aus erster Hand erfahren, dass die Sängerin und Darstellerin der „Gilda“ erkrankt ist, dass aber auch Ersatz gefunden wurde mit einer 26jährigen ungarischen Sopranistin. Die „Ur-Gilda“ werde spielen, der Ersatz werde singen.
Na, da bin ich aber gespannt….
Eine wirklich grosse Leistung scheint mir die Arbeit des Dirigenten, Hooman Kahlatbari ,der die Partitur Verdi´s auf ein wirklich superkleines Orchester zusammen“stutzte“. Ein Orchester, das trotzdem den Klang der Verdi´schen Oper widergeben kann. Einzig die Verwendung des Pianos ist mir schleierhaft und halte ich für überflüssig.
Dass ich in ein Drama hineingesogen werde wird gleich schon zu Beginn klar, denn schwarzer Tüll – Trauerflor- und Kerzenlicht geleiten mich die Stufen hinauf in den Maulpertschsaal. Die Stimmung, die beim Eingang herrscht, ist ein Willkommen in der Gesellschaft des „Duca di Mantova“, denn einige Höflinge lungern herum, einigen Damen wird ein rotes Band um den Arm gelegt: Mitgliedszeichen dieser verkommen-oberflächlichen Gesellschaft, die nur den Genuss im Sinne hat.
Die kleine Bühne ist spartanisch hergerichtet: schwarzer Tüll beherrscht die Szene, die Höflinge erwarten uns in vorwiegendem Grau – so viel Lebensfreude, wie die Musik uns suggeriert – ist da nicht vorhanden: die Tragödie beginnt schon ganz am Anfang und zieht mich auch gleich in den Bann. Rechte Freude will nicht aufkommen: die Hofgesellschaft erscheint oberflächlich und gemein – ein toller Regieeinfall!
Schon ab den ersten Takten der Musik – in der ersten Szene, wo es erhebliche Taktschwierigkeiten zwischen Orchester und Sänger gibt (und ich zolle der Schwierigkeit des injdirekten Sichtkontaktes zwischen Dirigent und Sängern höchste Vollachtung) - bin ich mitten in der Handlung, lässt doch der Regisseur, Csaba Nemedi, den ganzen Raum bespielen. Der Herzog küsst Damen im Publikum die Hand, die Protagonisten erscheinen und verschwinden durch die Türen links und rechts des Saales: eine wirklich gelungene Art, mich gleich ins Geschehen hineinzuziehen.
Ein erster Höhepunkt ist das Auftreten Monterones, ein zumindest optisch extrem junger Bass, Gelu Dobrea, der mit Stentorstimme die Ehre seiner Tochter reklamiert und Rigoletto, der sein körperliches Handicap in dieser Inszenierung per Krücke und Hinken darstellt, verflucht. Als „Signor Maledizione“ wird der Bass denn auch vorgestellt und zieht sich durch die Doppelrolle Monterones und des Auftragsmörders Sparafucile unheilvoll durch den ganzen Abend.
Gleich in dieser ersten Szene am Hof des Duca, zeigt sich, was für mich den ganzen Abend eines der Highlights sein sollte: ein Mini-Chor, der stimmlich und durch tolle Personenregie ganz stark zum für mich gelungenen Abend beiträgt! Ein grosses Lob an den Chorleiter: hier war die Musik auf den Punkt, die Diktion eine exzellente, die Personen-/Gruppenregie besonders gelungen!
Das erste Auftreten von Gilda wird durch die Ankündigung, dass sie krankheitshalber nur spielen könne, mit Spannung erwartet. Maria Taytakova, die optisch schlank und blond der Gilda wirklich schön entspricht, spielt mit so viel berührender Intensität, dass es einem im Herzen weh tut, sie nicht singen zu hören. Wie sie, blind vor Liebe sich über die Bühne tastet: auch dies eine sehr berührende Idee des Regisseurs.
Es sind dies genau die kleinen Gesten und „kleinen“ Einfälle des Regisseurs, Csaba Nemedi, die die Aufführug kostbar machen: das „All-inklusive-Band“, das zum vollwertigen Mitglied der Gesellschaft des Duca macht (und das sich Gilda zu gegebener Zeit auch vom Arme reisst!), die gelangweilte Hofgesellschaft (während des Herzog´s stretta – na gut, er nimmt sich halt wieder mal eine Frau; was geht es uns an?), das Zusammenziehen Monterones und Sparafuciles auf einen Signor MALEDIZIONE, die Darstellung einer Signora Destino – Gräfin Ceprano, Page und die Dienerin (aber doch Kupplerin) Giovanna – das macht das Drama doch sehr lebendig! Grosses Lob gebührt der Personenregie beim kleinen Chor der Höflinge: für mich waren dies die packendsten Szenen.
„Rigoletto“ als sehr persönliche und intime Tragödie darzustellen ist nachvollziehbar und falls der Regisseur diese Absicht hatte, ist sie bei mir auf fruchtbaren Boden gefallen!
Zum Musikalischen:
gleich in der ersten Szene gab es einige Schwierigkeiten, was die Tempi betraf – doch legte sich das sehr schnell wieder und ich führe es auf die schwierige Situation zurück, dass der Dirigent mit dem Rücken zu den Sängern stand. Noch einmal: ein grosses Lob für den Dirigenten, dem es gelungen ist, die Partitur auf ein Mini-Orchester zusammenzustutzen, ohne dass uns Verdi verloren ging! Bravo! Wie gesagt, ist meiner Meinung nach das Piano überflüssig- manchmal war es für mich störend.
Hooman Khalatbari hatte sein Orchester in festem Griff – sein funkelndes Auge nach einem bösen Streicher-Patzer sprach Bände, hatte aber durchaus Charme. Es war ein Dirigat, das die Sänger unterstützte: eine seltene Angelegenheit heutzutage!! Dies möchte ich doch sehr wohl erwähnen!
Nicht genug Lob kann ich für den Chor aussprechen: nicht nur, dass die Chorszenen die packendsten waren (dies ist wohl eher Verdienst des sensiblen Regisseurs Csaba Nemedi), hier war Textverständlichkeit einfach gross geschrieben. Grosses Lob deswegen auch an den Chorleiter!
Mit der Verpflichtung des Baritons Jan Durco hat die Festspielleitung einen Sänger gewonnen, der zwar zwischendurch an die Grenzen gestossen ist (nicht positiv bewerte ich das Singen einiger Phrasen als Vokalisen) ,der aber in seiner Darstellung als verfluchter und liebender Vater von Szene zu Szene wächst und glaubwürdig uns jenen Schmerz vermittelt, der in der Schluss-Szene seinen tragischen Höhepunkt findet. Besonders packend war die Szene mit den Höflingen („Cortiggiani, vil razza dannata“).
Eine kleine Enttäuschung war für mich der Herzog, Gergely Boncer, der zwar vermutlich über ein adäquates Material verfügt, aber seine Rolle von A-Z durchgebrüllt hat. So sehr ich bewundert habe, wie der Regisseur den Herzog in die Nebenrolle, die er eigentlich ist, gesetzt hat, so sehr enttäuschte es mich, dass der Tenor jede Arie, das Duett und das Quartett mit der selben vokalen Vehemenz von sich gab. Keine Frage, Herr Boncer traf meist seine Töne – aber der Herzog hat ja doch auch seine lyrischen, zärtlichen Töne (etwa als Verführer im Duett oder bei „Parmi veder le lagrime“)- die waren leider nicht vorhanden. Was ich hingegen lobend erwähnen möchte ist seine Bühnenpräsenz, denn als schlank-gutaussehender Tenor war er als Duca zumindest optisch wohl für viele ein Genuss.
Highlight des Abends waren für mich hingegen die Damen: ganz schön Jaroslava Pepper als sehr schlanke Maddalena, die dem berühmten Quartett zu schönem Ton verhalf und einfach wirklich grandios die beiden Gildas. Dass es Olga Taytakova aufgrund ihrer Krankheit versagt war zu singen, war sicherlich nicht angenehm. Sie hat überaus berührend und sehr engagiert stumm gespielt und mich mehrere Male fast zu Tränengerührt.
Highlight war für mich allerdings die 26jährige ungarische Sängerin der Gilda Zita Szemere! Sie sang die unglückliche Protagonistin für mich einfach ganz perfekt: ich hörte schon, dass Olga Taytakova die „dunklere“ und dramatischere Stimme habe; diese Gilda hat aber das Mädchen, dann auch die (trotzdem ihr Gewalt angetan wurde!) verliebte, ja, liebende Frau stimmlich grandios verkörpert. Dass die junge Sängerin die ganze Zeit vom Orchester aus SITZEND ihre Partie bewältigt hat (und ich weiss aus eigener Erfahrung, wie sich singen im Sitzen anfühlt) lässt mich ganz tief den Hut ziehen vor dieser Leistung. Irgendwie hat es diese junge Sängerin geschafft, dass „Rigoletto“ zu „Gilda“ wurde; für mich war dieses Drama der sich selbst opfernden liebenden Frau berührend genug, einen wunderbaren Abend zu erleben.
Fazit: in diesem räumlich beschränkten Rahmen einen Rigoletto aufzuführen: dafür kann ich nur dem Regieteam und der musikalischen Leitung ein Lob aussprechen.
Kirchstetten lohnt sich! Ich freue mich sehr auf die Produktion des kommenden Jahres.

© Quelle: Mag. Alexandra Zumoberhaus / Hintermayer MUSIK

„Le donne di Giovanni“ oder „Les jeux sont (pas) faits“
Ein Bericht zur Don Giovanni-Aufführung vom 16. 8.2014 beim Klassikfestival Schloss Kirchstetten

Dies ist keine Rezension, wie man sie von Kritikern kennt – da müsste ich mich ja kurz fassen. Dies ist ein Erfahrungsbericht nach einem beglückenden Opernabend!
Oper im Schloss Kirchstetten bedeutet mancherlei: es ist eines der kleinen, feinen Sommerfestivals, derer es so viele in Niederösterreich gibt. Die Anfahrt von Wien aus ist ein Vergnügen für die Beifahrerin, denn die Gegend ist halt herrlich; schönes Weinviertel. Wir fahren unter mehreren Wolkenbrüchen durch und ich sehe den grössten und schönsten Regenbogen meines Lebens. Was für ein Auftakt! Kirchstetten heisst auch, dass man früh genug vor Ort sein sollte, denn der Schloss-Heurige ist mehr als empfehlenswert und wir gehen ganz gut gestärkt zur Oper. Es ist eine Opernaufführung im herrlichen Maulpertsch-Saal des Schlosses. 160 Leute finden in hier Platz und ja: es ist Oper hautnah, es ist das kleinste Opernhaus Österreichs, wo es schon einmal vorkommt, dass ein Sänger plötzlich neben einem steht und man ins Geschehen gesogen wird, aus dem es kein Entrinnen gibt. Doch der Reihe nach. 
Hier wird grosse Oper für eine kleine Bühne adaptiert. In der Tat gibt es hier gar keine Bühne, sondern ein Podest, heuer in Form eines sehr lang gezogenen U. Dies und sicher auch das nicht sehr grosse Budget dieses empfehlenswerten Festivals sorgen auch dafür, dass ohne klassisches Bühnenbild gearbeitet werden muss. Keine Kulissen. Hier zählt der Sänger, einige Requisiten und ein geniales Konzept des Regisseurs, das dafür sorgt, die Oper fühlbar zu machen. Hier wird ein Gesamtkunstwerk an einem Abend erschaffen, denn das Thema des Abends wird auf dem Weg in den Saal erlebbar: auf den wie immer mit Kerzenlicht erleuchteten Treppenstufen sind Spielkarten verstreut. Wir kommen auch an mehreren Spieltischen vorbei und den Sängern wird doch auch viel Arbeit abverlangt, wenn sie wie Donna Elvira schon in Kostüm und Maske so lange vor dem Auftritt an einem Tisch sitzen und Karten legen. Und immer schön „unnahbar und unansprechbar“ sein…. Hier muss ein Regisseur die Musik kennen, das libretto verstehen, von Gesang etwas verstehen. Hier kann nur so gearbeitet werden, dass die Quintessenz des Werkes erarbeitet und sichtbar gemacht wird.
Wieder gelingt dies dem Regisseur Csaba Némedi in ganz vortrefflicher Weise. Es wird schnell klar, dass sich hier jemand mit dem Werk umfassend und liebevoll auseinandergesetzt hat und das Resultat kann sich wahrlich sehen lassen. Zum ersten Mal erlebe ich einen „Giovanni“, der wirklich das dramma giocoso ist, als das Mozart und sein librettist da Ponte es geschaffen haben. Es IST eine Tragikkomödie, denn sowohl das Drama, als auch die burlesken Szenen sind fein und Gänsehaut-erzeugend herausgearbeitet.
Die Requisiten sind wie immer wenige, aber aussagekräftig: Hier findet ein Spiel statt. Ein Spiel zwischen heiter und tragisch. Ein Spiel eines Puppenspielers, Don Giovanni, der scheinbar seine Opfer wie Marionetten steuert. Oder vielleicht auch umgekehrt? Werden die Opfer das Spiel aufnehmen und mitspielen? Es vielleicht wenden? Némedi lässt mit überdimensionalen Spielkarten Wände und Mauern errichten, die die Unmöglichkeit, Gebäude auf das Bühnenpodest zu stellen, gut ersetzt. Spielwürfel dienen als Sitzgelegenheit, als Tische, als Wurfgeschosse, ja auch als „Waffe“, um Leporello, der nach seinem getarnten Techtelmechtel mit Elvira auffliegt, einzumauern. Da wird mit diesen wenigen Requisiten gespielt, dass es eine Freude ist! Die Spielkarten – ja, die Spielkarten sind nicht ohne. Denn die drei Königinnen/Damen sind durchaus auch noch ein bisschen aufgehübscht worden mit floralem Design. Da meine ich einen Frühling, einen Sommer und einen Herbst zu erkennen. Die drei Frauencharaktere? Haben wir hier eine Vergangenheit; Donna Elvira, die vergangen und (über)reif ist? Eine Donna Anna, eine Gegenwart in voller Pracht? Eine Zerlina in zarter Blüte, zukünftiges Vergnügen?
Was ist es mit diesen drei Frauen? Lassen sie mit sich spielen oder spielen SIE am Ende gar?
Ja, es ist wahr: so sehr Giovanni mit den Frauen spielt, so sehr übernehmen auch sie das Spiel und wenn zum Schluss die drei Frauen – begleitet von der Stimme des unsichtbaren Komturs – Giovanni am Marionettenband seinem Ende zuführen, so wird klar, wer hier dann letztlich doch das Rad am Laufen hält. Es sind die Frauen. Es sind auch die Frauen, die die Farbtupfer in dieser Aufführung sind: Elvira in patiniertem Gold beim ersten Auftritt und dann in leuchtenden Blautönen, die der Sängerin mit ihren blonden Haaren unwahrscheinlich schmeicheln und trotzdem ganz dramatisch wirken. Zerlina mit einem Hochzeitskleid in crème, das mehr als sexy ist und anschliessend im crèmefarbenen Spitzenkleid, in dem sie dermassen knackig wirkt, dass vermutlich viele Zuschauer gern Giovanni wären. Anna hingegen in Rottönen und hier ist für mich ein ganz dramatischer, spannender und gelungener Aspekt von Némedi und seiner begabten Kostümbildnerin, Gianpiera Bühlmann, sichtbar: beim ersten Auftritt noch im zartrosa Negligé, wird das Rot für die nächsten Auftritte kräftiger, bis Anna zum Schluss ihre Rache vollendet und wie Blut und Feuer und Leidenschaft wirkt! Toll! Die Herren hingegen sind offenbar nicht wirklich die „Herren der Schöpfung“. Ein bisschen fad sind sie, diese tollen Hechte, die Bestimmer, Macher, Macker und Machos: Weiss, écru, crème sind ihre Farben und die Herren sind austauschbar, man kann sie leicht verwechseln; Leporello und Giovanni müssen sich bei ihrem Rollentausch nicht so anstrengen. Ein bisschen fad sind sie und sie brauchen offensichtlich einen bunten Gegenpart, eben diese Frauen in Farbe…Einzig Giovanni darf im ersten Auftritt, passend zum nächtlichen Überfall schwarz gewandet sein, und für den Mittelteil einen sehr schönen (wenn auch wieder hellen), schimmernden Anzug tragen mit lindgrünem Hemd, das den dunklen Haaren des Sängers sehr schmeichelt.
Es sind die kleinen, feinen herausgearbeiteten Details, die mich an Némedi’s Arbeit immer wieder faszinieren. Seine Personenregie ist grosse Klasse! Da wird gespielt in jeder Sekunde, da ist Drama und Komödie. Kein Augenlick fadesse – Spannung und Vergnügen in absolut jeder Sekunde! Dem Regisseur ist es gelungen, die Sänger zum Spielen zu bringen, auch wenn sie NICHT singen. Und zwei ganz besonders, haben das hinreissend umgesetzt!!
Womit wir bei den Sängern und bei der Musik wären…
Mehr als uneingeschränktes Lob für Hooman Khalatbari und sein Mini-Orchester! 2 Fagotte, 1 Klarinette, 1 Oboe, 1 Querflöte, 1 Cello, 1 Bass, 1 Klavier, 2 Violinen und 1 Viola, wenn mich nichts täuscht. Auf jeden Fall hat Maestro Khalatbari die Partitur wieder auf ein elfköpfiges Ensemble gearbeitet. Ganz grossartig!! Bravo Bravo! Und was für ein Orchester! Junge Musiker, die offenbar Meister ihres Fachs sind. Die musikalische Leistung des Orchesters ist nicht genug zu loben! Und einen Sonderpunkt für den elegantesten Auftritt des Maestros am Pult (chapeau für den Geschmack in der Kleiderwahl!!!), der im Übrigen HINTER dem Bühnenpodest und den Sängern steht! Und hier hat man gehört, wie grossartig geprobt wurde! Kompliment.
Und somit sind wir bei der Musik gelandet und bei den Sängern.
Uneingeschränktes und grosses Lob gibt es von mir für die drei Damen. Alexandra Vogrin sang eine bewegende Elvira, glaubhaft in jedem Moment, mit schön geführtem und sicherem Sopran. Und sie spielte in der Schluss-Szene so bewegend, dass ich dreimal schlucken musste. Donna Anna wurde von Rodica Vica gesungen, die über einen strahlenden Sopran verfügt und ihre Einzelarien zu einem Höhepunkt des Abends für mich werden liess. Bravourös. Bitte mehr davon. Wir dürfen gespannt die Karriere dieser Sängerin verfolgen. Auch sie spielte absolut hinreissend (Danke an den Regisseur!): ihr letzter Auftritt als personifizierte Rache! Dieser stolze Blick, die Haltung,– das war Gänsehaut pur!
Absolut gespannt war ich auf die junge Sopranistin Lenka Pavlovič, die relativ kurzfristig einspringen musste/durfte. Und ich wurde nicht enttäuscht: die sehr junge Sängerin bringt eine wunderschöne Stimme, gepaart mit sehr guter Technik und dermassen grosser Spielfreude und mit so grossem Talent auf die Bühne! Eine Freude für Ohr und Auge. Dass die junge Sängerin auch noch mit Schönheit gesegnet ist – da kann sie nichts dafür. Aber der Rolle hat es nicht geschadet. Und wenn ich in einer Kritik gelesen habe „entzückende, naive Zerlina“: diese Zerlina war alles andere als naiv; die hatte es faustdick hinter den Ohren – ganz grandios; sowohl die Arbeit des Regisseurs an der Rolle als auch die Umsetzung durch die Sängerin.
Etwas durchwachsener schaut es bei mir bei den Herren aus.
Ungeteiltes Lob kann ich nur Masetto/Comtur, Dobrea Gelu aussprechen. Gesanglich war er ohne Fehl und Tadel – im Gegenteil hat er den Masetto wunderbar gesungen- und er hat gespielt. Und wie er gespielt hat! Jede Sekunde, die er auf der Bühne sein musste, war er in der Rolle, im Stück. Ganz ganz toll. Wie sein Gesicht dahingeschmolzen ist während seine Zerlina „Vedrai carino“ sang – das war vom Feinsten. Hoffentlich haben das andere auch gesehen. Manchmal liegt im Kleinen was ganz Grosses und „Nebenrollen“ so schön zu besetzen ist ein gutes Zeichen für die künstlerische Leitung dieser Produktion.
Ähnlich verhält es sich beim Leporello des polnischen Basses Leszek Solarski. Grandioses Spiel und gerechtfertigter Publikumsliebling. Némedi sei Dank, dass er seinen Leporello nicht wie den Salzburger Leporello heuer als idiotischen Volltrottel durch die Szenen stolpern lässt. Leporello IST kein Trottel. Der schaut schon auf sich und er durchschaut so manches. Feinst gespielt, bis ins Detail entsprechender Mimik. Stimmlich denke ich, dass da noch mehr geht. Meiner Meinung nach sollte Solarski an seinen italienischen „a“ und „o“ arbeiten. Dann bekommt der Ton grad nochmals einen anderen Klang. Ansonsten tadellos. Erfreulich natürlich auch, einen wirklich schönen Leporello, gross und schlank, mit langen Haaren auf der Bühne zu erleben. Die Verwechslungsszene wurde dadurch schon viel glaubhafter!
Der ecuadorianische Tenor Xavier Rivadeneira verfügt ganz zweifellos über ein sehr schönes Material. Wenn mich meine Ohren nicht getäuscht haben ist er ein lirico spinto. Und genau da hatte ich meine Einwände: in den Ensembles war das spinto genial, in seiner Arie war mir das lirico zu wenig. Auf jeden Fall eine sehr solide und schöne Leistung.
Die grösste Kritik geht von meiner Seite an den österreichischen Bariton Thomas Weinhappel, der einzige schon ziemlich bekannte der Sänger des Ensembles. Natürlich bringt Weinhappel in dieser Rolle unglaubliche optische Vorzüge auf die Bühne: gross und schlank und für viele Damen sicher fesch anzuschauen. Aber so ganz warm geworden, so ganz verführt hat mich dieser Giovanni nicht. Da war für mich viel statisches Spiel (zwei Gesichtsausdrücke), da fehlte mir der manchmal in der Partitur verlangte schmelzende, schokoladige, zärtliche Ton. Das war alles gleich laut (und manches zu laut) und manchmal wurde mir dann ein deutlich hörbares Vibrato nicht zum Genuss. Aber es war in dem jungen Sängerensemble durchaus eine gute Leistung, wie ich überhaupt an dieser Stelle sagen muss, dass die Ensemble-Stellen ganz unwahrscheinlich gut musiziert waren!!! Da waren alle gleich gut, unterstützt von einem tollen kleinen Orchester unter einem Dirigenten, der mehrmals um die eigene Achse rotiert ist, um ja auch alle Sänger zu erreichen. Köstlich!
Thomas Weinhappel interessiert mich aber. In welche Richtung wird er sich entwickeln? Der Kavaliersbariton braucht noch Schmelz und Zartheit…man darf sehr gespannt die Karriere dieses begabten österreichischen Baritons verfolgen. Wenn er mich auch nicht überzeugt hat, die Leistung eines ganzen Abends auf der Bühne und die gute Leistung in den Ensembles haben mich schon versöhnt.
Was wäre noch zu sagen? Ich stelle fest, dass ich viel geschrieben habe. Zu viel für die Leser. Aber ich sagte ja: dies ist keine Rezension, dies ist ein Bericht. Stellen Sie sich vor, liebe Leser, ich fasse das jetzt in eine Rezension zusammen. Und dann überlegen Sie sich, wem ich da wirklich gerecht werde. Worüber schreibe ich dann? So, wie in der durchschnittlichen Rezi zwei Drittel über ein abstruses und oft genug hässliches und dummes Regiekonzept? Zwei Zeilen über den Medien-Superstar? Und vielleicht nichts über einen Sänger, der toll war? (Ich habe zum Bsp. den Ferrando im Salzburger Trovatore grandios gefunden – keiner schrieb über ihn…). Dies ist einfach der Bericht meiner Eindrücke einer ganz wunderbaren „modernen“ – musikalisch hochklassigen Giovanni-Aufführung, die ich gestern erlebt habe. Ein wirklich durchdachtes Regiekonzept und so schliesst sich der Kreis:
wer spielt mit wem? Wer hat das Spiel gewonnen? Gab es einen Gewinner? Tutto nel mondo è burla…. nach dem Schluss-Ensemble gehen wir nämlich hinaus und siehe da: an den Spieltischen sitzen die Sänger…das Spiel geht weiter, immer weiter. Aber die Frauen, die werden das Spiel sicher nicht verlieren. Nicht solange die Hingabe der Elvira, die Leidenschaft der Anna und die verschmitzte, durchtriebene Zärtlichkeit der Zerlina irgend eine Bedeutung haben.

KIRCHSTETTEN SIEHT MICH WIEDER! KIRCHSTETTEN IST EINE REISE WERT! MEHR ALS EINE!