Montag, 20. Juni 2016
Inszenierung 6, setzen - miserable Neuproduktion der Puritani aus Homokis Komödienstadl, vormals Opernhaus Zürich am 19.6.2016
Ich
bin immer noch fassungslos über die Aufführung, die ich gestern Abend am
Opernhaus Zürich über mich ergehen lassen musste. Es gibt Aufführungen mit sehr
guten Sängern aber einer schlechten Inszenierung, wo man am Ende sagen kann: "Ok, das war trotz allem ein Sieg der Musik." Nicht so in Zürich. Denn dort hat
ein unfähiger und unmusikalischer Regisseur und Intendant derart "ganze Arbeit"
geleistet, dass ein wunderbares Solistenquartett völlig an den Rand gedrängt
wurde. Dass das Opernhaus Zürich seit dem Amtsantritt von Andreas Homoki als
Intendant sehr tief gefallen ist, ist kein Geheimnis mehr. Insofern reiht sich
diese Puritani-Premiere nahtlos in die Regietheater-Flops der letzten Jahre
ein, und kam auch nicht wirklich überraschend. Als düsteres Kriegsstück in
historischen Kostümen wolle er Bellinis 1835 in Paris uraufgeführtes Werk
inszenieren, tönte Herr Homoki neunmalklug im Programmheft. Was herausgekommen
ist, ist altabgedroschenes, platt-plumpes Regietheater, todlangweilig und
unmusikalisch mit einem geänderten, dumm-dreisten Ende, welches Vincenzo Bellini
und seine Musik völlig pervertierte. Oper von Prolls für Prolls eben. Aber nun mal
der Reihe nach. Bühnenbildner Henrik Ahr ( der in München bereits die Lucrezia
Borgia verbrochen hatte) hatte eine dauer-rotierende runde Scheune aus
Holzlatten auf die Bühne gestellt, die sich öffnen und auch mal heben konnte.
Abgesehen von akustischen Problemen durch fehlende Deckelung, sah die
Konstruktion billig, lieblos und völlig austauschbar aus, was durch die Stühle
im Inneren verstärkt wurde. Die Bühne war so verbaut, dass im Grunde nur
Rampensingen möglich war. Ab und an wurde das ganze - ach wie originell- durch
ein paar erhängte Frauen, die vom Schnürboden herabbaumelten, und Leichenhaufen
ergänzt. Selbst wenn nichts passierte und die Sänger "nur" an der Rampe standen,
nervte die immer rotierende Drehbühne. Die angekündigten historischen Kostüme
von Barbara Drohsin waren allesamt schmuddelig-schwarz und hässlich, alles
wirkte wie aus einer Geisterbahn. Vielleicht hätte man sie für die Mannschaft
des fliegenden Holländer akzeptieren können, für Bellinis Puritani waren sie
jedoch fehl am Platz. Gleich in der ersten Szene beginnt Homoki mit dem
Holzhammer. Das katholische Stuart-Königspaar in schmuddelig-elisabethanischer
Robe wird im Eingangschor gefangen genommen und gefoltert, danach wird König
Charles auf offener Bühne geköpft und Enrichettchen darf mit dem abgehauenen
Kopf spielen, bevor sie von Soldaten vergewaltigt wird. Man weiß nicht, ob man
lachen oder weinen soll. Der Chor wird von Homoki nonstop hyperaktiv geführt.
Man schüttelt den Kopf über prollig schunkelnde Chordamen und Brautjungfern oder
deren Hin- und Hergeschleppe von Kerzen. Die Personenführung war im wesentlichen
auf das viel gescholtene Rampensingen beschränkt und todlangweilig . Wie
beliebig wirkte der Schlüsselmoment, als Arturo die Königin erkannte und beschloss
sie zu retten.... In Jonathan Millers mustergültiger Münchner
Puritani-Inszenierung aus dem Jahr 2000 war dieser Augenblick ein
Gänsehautmoment, als Arturo vor Enrichetta seinen Hut abnahm und, von Ehrfurcht
überwältigt, auf die Knie sank! Natürlich ließ Homoki die Sänger ihre Arien
nicht ungestört vortragen. Während diese an der Rampe sangen, musste in
bester schulmeisterlicher Regietheater-Tradition im Hintergrund irgendeine
Parallelhandlung abgespult werden, so als ob man dem "dummen Publikum" gar
nichts mehr zutraut. Wenn die Musik auf diese Weise gestört wurde, schien Homoki
zufrieden. Am Ende eines ermüdenden Abends wollte dieser dann es scheinbar dem
Publikum nochmal so richtig zeigen. Bei der von Sir Giorgio verkündeten
Generalamnestie wurde Arturo, wie zu Beginn König Charles, auf offener Bühne
geköpft und der Kopf der munter weiter singenden Elvira zum Spielen überlassen.
Sie sah aus wie Salome, die in das falsche Stück gebeamt wurde....Einfach nur
zum Kotzen! Povero Bellini! Schade um die guten und hochtalentierten Sänger.
Die 31-jährige Pretty Yende als Elvira hätte nämlich das Potential, sich in die
Reihe ganz großer Rollenvorgängerinnen einzureihen. Man bedauerte, dass dieses
Rollendebut derart von der Regie-Willkür des Herrn Homoki überschattet wurde.
Ihre glockenhelle, aber dennoch warm timbrierte Stimme, traumhafte
Kolaraturen, wunderbare Farben und ihre jugendliche Naivität wirkten
hinreißend! Wie sie in der Wiederholung des "Vien diletto" Bellinis Musik mit
herrlichen Trillern und wunderbaren Verzierungen ausschmückte, das war ganz
große Klasse. Lawrence Brownlee als Arturo stand dem um nichts nach. Bis zum
dem verstümmelten Ende der Oper setzte er sich darstellerisch von allen Sängern
noch am besten gegen Homokis Schwachsinn durch und sang einen vom ersten Ton
mitreißenden Lord Arturo Talbo. Das herrliche Timbre, die bewegenden, mit
Leichtigkeit gesungenen Spitzentöne bis zum hohen F ließen die Rolle zu einem
wahren Erlebnis werden. Sowohl das "Ah te oh cara" als auch die Romanze und
große Klage des dritten Akts waren beredte Zeugnisse ganz großer
Belcanto-Kunst. Da hatten es die anderen Männer schwer, aber machten ihre Sache
bisweilen sehr ordentlich. Georges Peteans Timbre ist rau und hart, jedoch
zeigte er in seiner Arie, dass er in der Lage ist, wunderbar gefühlvolle Phrasen
zu singen und im Duett mit Sir Giorgio mächtig aufzutrumpfen. Dieser war mit
Michele Pertusi sehr ordentlich besetzt, auch wenn ich mir von seinem
kultivierten Bass etwas mehr "Balsam" gewünscht hätte. Erwähnt werden soll auch
Opernhaus-Urgestein Liliana Niketeanu als Königin Enrichetta, die ihrem Auftritt
stimmlich die nötige Würde verlieh. Der Chor war von Pablo Assante -von einigen
Wacklern abgesehen- ordentlich einstudiert worden, litt aber an der ständigen
durch die Regie verordnete Unruhe und Nervosität. Sie wirkten fast, als
litten die Soldaten alle an ADHS. Der Generalmusikdirektor Fabio Luisi
dirigierte aufgeblasen und selbstgefällig, der harte Orchesterklang entbehrte
jedoch an Substanz und der für Belcanto-Opern so wichtigen Sensitivität. Am Ende
gab es viel Jubel für die Sänger und mitunter heftige Buhs für die Regie, welche
von den Zuschauern neben mir Zustimmung erhielten. Bei dem sich verbeugenden
Regieteam fiel auf, dass die Kostüm-Bärbel im dunklen Zuschauerraum eine
Sonnenbrille trug, welche symbolisch für die Blindheit der Regietheater-Mafia
stehen könnte. Beim Verlassen der Oper Zürich dachte ich traurig an die bereits
erwähnte mustergültige Münchner Inszenierung, welche Belcanto Belcanto sein
ließ und das Auge mit kostbaren Bildern verwöhnte, die den
Rembrandt-Gemälden der Münchner alten Pinakothek nachempfunden waren. Damals
führte die Gruberova auf dem Zenit ihrer Karriere das wunderbare
Solistenquartett an, am Pult ließ der zu früh verstorbene Marcello Viotti mit
sensiblen Klängen die Puritani zum Erlebnis werden. Eine Erinnerung von der man
in der derzeitigen kaputten Opernwelt nur noch träumen kann.
Labels:
Bellini,
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Puritani
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