Ein hochinteressantes Interview mit Altmeister Otto Schenk!
http://www.welt.de/kultur/buehne-konzert/article129329714/Wagners-Werk-hat-mich-verfuehrt.html
Montag, 23. Juni 2014
Freitag, 13. Juni 2014
Richard Wagner Festival Wels 2014
Heuer feierte das Richard Wagner Festival in Wels sein 25-jähriges Bestehen. Das aus privater Initiative hervorgegangene Festival mauserte sich
seit seinem Bestehen von konzertanten Aufführungen der Werke Richard Wagners zu
szenischen Produktionen und wurde zum Magnet für Wagnerfreunde aus der ganzen
Welt. „Werktreue und künstlerische Qualität“ war und ist das Motto des Festivals, welches sich dieses Jahr in vier ausverkauften Vorstellungen die Wiederaufnahmen
von „Der fliegende Holländer“ und „Lohengrin“ zeigte.
Wagners Gespensteroper „Der fliegende Holländer“ wurde von Herbert Adler
als solche ernst genommen und umgesetzt. Konsequent erscheint die Figur des
Holländers als Geist, was durch sensible Lichtführung dem Betrachter stets vor
Augen geführt wird. Diese Auffassung stellt den Sänger vor eine besondere
Herausforderung, gilt es doch, die seelische Qual der Rolle und die Beziehung zu
Senta heraus zu arbeiten. Wolfgang Brendel löste dies, in dem er seine
Baritonpartie mit einem fast lyrischen Ansatz anlegte und so einen Gegensatz
zwischen äußerer Erscheinung und Stimme erzeugte. Selten hat man das Duett „Wie
aus der Ferne...“ mit solch atemloser Spannung verfolgen können. Astrid Webers
dramatischer Sopran ist in solch lyrischen Stellen am überzeugendsten; in den
Höhen neigte sie an diesem Abend zu etwas zu schrillen Tönen, die ihr allerdings
durch ihre Gesamtmeisterung der Partie, vor allem ist hier die Ballade zu
erwähnen, leicht verziehen wurden.
Reinhard Hagens Daland hätte schwerlich besser dargeboten werden können.
„Mögst du, mein Kind,...“ gehörte zu den Höhepunkten dieses Abends. Herbert
Adler durchbrach die Eindimensionalität des Charakters am Ende der Oper nach
Sentas Tod, als dieser sich tröstend dem verzweifelten Erik zuwendet, so dass
die Figur des gierigen Seemanns hinter die des gebrochenen Vaters zurück treten
konnte.
Clemens Bieber ist ein Erik, auf den sich das Publikum freut. Die von Wagner
bewußt blass angelegte Figur, die oft als Störfaktor mit hohlem Schöngesang
wahrgenommen wird, kommt hier zu Glanz und Ehre. Ein echter lyrischer Tenor, der
es versteht, auch dieser Partie Leben einzuhauchen.
Im Besonderen ist Christian Sturm als Steuermann zu erwähnen. Der junge
Tenor ist ein gern gesehener Gast des Festivals und dem Publikum auch aus dem
„Tristan“ in guter Erinnerung. „Mit Gewitter und Sturm...“ ist der „Aufmacher“
der Oper, aber oft schnell vergessen, wenn der 3. Akt zu Ende ist. Herbert Adler
nahm sich insbesondere dieser Rolle an und sorgte mit vielen schönen Details
dafür, dass der Steuermann präsent blieb und bis zum Ende seinen Platz auf der
Szene hatte. Ein liebenswertes Charakteristikum für Wels, dass man sich junger
Sänger besonders annimmt.
Der Tschechische Philharmonische Chor Brünn unter der Leitung von Jan
Ocetec brachte die in der Oper enthaltenen Evergreens mit großer Sicherheit und
Wortverständlichkeit über die Rampe, wie man es selten erlebt. Selbst wenn der
ganze Chor in Bewegung war, kratzte dies nicht an der Einheitlichkeit des
Klanges, wie es manchmal zu beklagen ist.
Wels-Veteran Ralf Weikert sorgte mit den Brünner Philharmonikern für den
original wagnerschen „Gespensterklang“. Im relativ kleinen Welser Stadtheater
gelingt es Weikert immer wieder, das Orchester so zu führen, dass die
Singstimmen im Vordergrund bleiben und dennoch die Stellen, die die volle Wucht
des Orchesters erfordern, zu ihrem Recht kommen. Weikert feilte sehr an den
leisen Stellen und zeigt hier einen fast kammermusikalischen Ansatz. Man konnte
bei ihm Instrumente hören, die man ansonsten noch nie wahrgenommen hat.
Das Publikum dankte den Mitwirkenden mit endlosem Applaus und zahlreichen
Bravo-Rufen.
Zum zweiten Mal stand in diesem Jahr „Lohengrin“ auf dem Programm. Wagners
romantische Oper wird hier vollständig in diesem Sinne inszeniert. Hierbei ist
anzumerken, dass Wels durchaus nicht als "Ausstattungstheater" bezeichnet werden
kann. Das erste Bild besteht aus einem gebauten Kreis in der Bühnenmitte, dem
Sitz König Heinrichs und einer Rampe dem Hintergrund dazu.
Der Bühnenhintergrund
wird von einer Rückprojektionswand begrenzt. Mit diesen Mitteln versteht es der
Lichtzauberer Herbert Adler jede benötigte Atmosphäre so unmerklich und fließend
zu erzeugen, dass man denken möchte, erheblich mehr auf der Bühne gesehen zu
haben, als tatsächlich da war. Im Ganzen bleibt der „Lohengrin“ innerhalb dieser
Schlichtheit. Während im Holländer aufwändige Animationen im Hintergrund zum
Einsatz kamen; Sturm und Wellen, die beeindruckende Manifestation des
Gespensterschiffes und die Erscheinung der Geistermannschaft, muß man erwähnen, dass es bei Lohengrin bei einer ruhigen blauen Wasserfläche im Hintergrund bleibt.
Chor und Sänger stehen im wahrsten Sinne des Wortes im Mittelpunkt.
Der Heerrufer des Königs Thomas Berau, dessen Rolle schwerer zu singen ist,
als man annehmen möchte, meisterte die Partie, welche manchmal nicht das
gebührende Publikumsinteresse zu erwecken vermag, in einer Weise, die ihm viele
begeisterte Äußerungen des Publikums einbrachte.
Reinhard Hagen wird nicht nur als König Heinrich Herr der zwei Chöre,
sondern auch mit seiner Stimme. An dieser Stelle kann gleich erwähnt werden,
dass insbesondere die Chor- und Ensemblestellen in dieser Aufführung
außerordentlich gelungen sind. Beispielhaft sei hier „Mein Herr und Gott,...“
erwähnt. Man hört diesen Part selten so exakt ausgeführt, es sei denn, auf einer
Aufnahme. Hier gelang wirklich ein Klangzauber.
Petra Maria Schnitzers Elsa ist am stärksten in den lyrischen Stellen; ihre
Stimme verleiht der Rolle die notwendige, überirdische Strahlkraft, die ihre
Verbindung zur Gralswelt Lohengrins glaubhaft macht. Hin und wieder in den Höhen
nicht völlig sicher an diesem Abend, überzeugte sie ihr Publikum dennoch
vollständig.
Die Schwanenerscheinung ist ein beliebter Diskussions- wenn nicht gar
Streitpunkt. Im modernen Regietheater als uninszenierbarer Kitsch abgetan, wird
häufig übersehen, dass es hier um die Darstellung eines Wunders geht, das von
den einen als solches akzeptiert wird, um von der Politikerin Ortrud zum
Zauberwerk umgedeutet zu werden. Es ist dieser Konflikt, der vor allem in Elsa
ausgetragen wird, um schließlich zum Verhängnis zu werden.
Herbert Adler läßt im Hintergrund Nebelschwaden über dem Wasser
zusammenziehen, die dann zu einer stilisierten Schwanenerscheinung verschmelzen.
Dies gelang so beeindruckend, dass man erstaunte Reaktionen aus dem Publikum
wahrnehmen konnte. Dies geschieht derzeit selten.
Jon Kettilson ist ein ordentlicher, wenn auch kein strahlender Lohengrin.
Stimmlich wirkte er insbesondere im ersten und zweiten Akt etwas zu steif,
steigerte sich aber in der Brautgemachszene und natürlich für „In fernem
Land...“, das man an diesem Abend ausgezeichnet zu hören bekam. Leider
verzichtet auch diese Inszenierung nicht auf eine Strich im 3. Akt ab „O Elsa!
Was hast du mir angetan?“ bis „Der Schwan! Der Schwan!“. Leider, weil diese
Stelle explizit enthält, dass Lohengrin Elsa wirklich liebt, die ihn aber als
höheres Wesen anbetet. Sie enthält somit eine nicht unerhebliche Aussage des
Werkes und trüge zu einer weitergehenden „Vermenschlichung“ Lohengrins bei, die
dem Charakter nicht gut genug tun kann, da Lohengrin häufig als blass und
unnahbar empfunden wird. Diesem Strich fällt auch Lohengrins Prophezeihung „Nach
Deutschland sollen noch in fernsten Tagen des Ostens Horden siegreich nimmer
zieh'n!“ zum Opfer. Dies mag als politisch korrekt und entschärfend wirken, aber
man sollte immer bedenken, dass dies eine Projektion unserer Erfahrung ist, die
zur Entstehungszeit des Werkes nicht gegeben war. Darüber hinaus ist man bei
Wagners Werken immer gut beraten, äußere von innerer Handlung zu
unterscheiden.
Ein Teil dieser inneren Handlung ist die Unfähigkeit, das Spirituelle als
solches zu akzeptieren und die Tendenz der Profanierung dessen. Eine
Problematik, die heute erheblich näher an unserer Haut ist, als dies zu Wagners
Zeit der Fall gewesen sein mag. In gewisser Hinsicht ist die Unmöglichkeit oder Verweigerung einer traditionellen Inszenierung des Stückes in vielen Aufführungen ein
Symptom für den im „Lohengrin“ beschriebenen Konflikt zwischen
materialistisch/nihilistischer Weltsicht und Spiritualität in unserer
Zeit.
Ein weitere interessanter Aspekt ist das Werk als Vier-Personen-Stück:
Lohengrin und Elsa sowie Ortrud und Telramund.
Publikumslieblinge waren Lioba Brau als Ortrud und Clemens Unterreiner als
Telramund. Selten hat man eine so wortverständliche und souveräne Ortrud, die
darüber hinaus noch in der Lage ist, diesen Charakter als die „politische Frau“
oder auch den personifizierten Zweifel darzustellen. Man traut ihr ohne weiteres
zu, Telramund in der gezeigten Weise von sich abhängig gemacht zu haben. Am
Rande sei hier erwähnt, wie klug die Kräfteverhältnisse innerhalb dieses Paares
von Wagner komponiert worden sind.
Sein Rollendebüt hatte in diesem Jahr Clemens Unterreiner als Telramund.
Trotz dieses Heimspiels ist es nicht leicht, vor dem Welser Publikum zu bestehen,
zumal Unterreiner dem Publikum durch seinen Wolfram im „Tannhäuser“ des
Vorjahres einen sehr positiven Eindruck hinterlassen hatte. Damals war schon zu
vernehmen, dass man von diesem Bariton noch einiges erwarte.
Diese Erwartungen wurden ohne weiteres erfüllt. Telramund ist durchaus
nicht immer für das Publikum als der Betrogene erkennbar, doch ist er ein
Charakter, der an den Wertvorstellungen seiner Zeit hängt und Ortruds Lügen
glaubt, was ihn letztlich zu Grunde richtet. Ortrud verachtet die Welt, in der
sie lebt. Oberflächlich betrachtet, erscheint sie als rückwärtsgewandt, doch bei
genauerem Hinsehen repräsentiert sie die Moderne. Materialistisch und zynisch.
Telramund existiert zwar auch durch weltliche Werte wie Ruhm und Ehre und passt
insofern zu seiner Frau, doch ihr Materialismus reicht weit über den seinen
hinaus.
Lioba Braun und Clemens Unterreiner gelingt es, dieses Spannungsverhältnis
auf die Bühne zu bringen, womit ein Gutteil des Stückes steht und fällt. Das
Publikum dankte es den Sängern durch viele Bravo Rufe, natürlich wurde
Unterreiner besonders gefeiert. Trotz der allgemeinen Begeisterung sollte
kritisch angemerkt werden, dass er unter dem Druck des Rollendebüts dazu
tendierte, schauspielerisch an manchen Stellen etwas zu viel zu tun, was
aufgrund seiner stimmlichen Möglichkeiten als durchaus unnötig erschien. Dies
sei einem jungen Sänger aber verziehen.
Die Slowakischen Philharmoniker sorgten unter der Leitung von Ralf Weikert
für den nötigen Wagnersound. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass man den
„Lohengrin“ schwerlich besser hören kann. Hierfür sorgte, man sollte nicht
vergessen, dass es sich auch um eine Choroper handelt, auch der Chor der
Slowakischen Philharmonie, der unter der Leitung von Jozef Chabron alle Klippen
der Partitur meisterte.
Wer nach solchen Aufführungen mit vom Applaus schmerzenden Händen das
Theater am Abend verläßt, freut sich bereits auf das nächste Jahr, wenn in Wels
„Tannhäuser“ und „Tristan und Isolde“ gegeben werden.
Stefan Simon
Abonnieren
Posts (Atom)