Sonntag, 31. August 2014


„La Traviata“ am Rhein Main Theater Niedernhausen am 30.08.2014

von Stefan Simon

Nach dem Scheitern des Versuches ein Musicaltheater in die Provinz zu bauen, blieb ein überdimensionierter Theaterbau in Niedernhausen mit 1500 Sitzplätzen bei Wiesbaden zurück. Statt Andrew Lloyd Webbers „Sunset Boulevard“ läuft dort nun ein sehr bunt gemischtes Angebot zwischen Chippendales und Oper. So auch die Premiere der Produktion von Giuseppe Verdis „La Traviata“ der Opera Classica Europa. Wie funktioniert nun Oper, wenn man nur zwei Bühnenprospekte hat? Wenn ein gemalter Baum und grüne Hügel mit davor platzierten Gartenmöbeln links und einem Schreibtisch mit Stühlen rechts ein Landgut des 19. Jahrhunderts vorstellen müssen? Nach dieser Premiere muß ich sagen: Sehr gut. Hier lag die ganze Last der Aufführung auf den Sängern und wie souverän haben sie diese getragen. Das Haus hat, obschon für Oper nicht ausgelegt, eine ausgezeichnete Akustik und einen sehr tief liegenden Orchestergraben, der zum Teil verdeckt ist. Das Orchester des Nationaltheaters Constanta unter der Leitung von Peter Falk meisterte dies ausgezeichnet und erreichte mühelos den notwendigen Verdiklang. Star des Abends war unbestritten Lynette Tapia als Violetta. Sie umschiffte jede Klippe der Partie mit einer Leichtigkeit, die den Schwierigkeitsgrad der Rolle vergessen ließ. Sie konnte die ganze Bandbreite des Charakters der Violetta ausloten und die Herzen des Publikums gewinnen. Die Leichtlebigkeit von „E Strano... Sempere libera“ brachte sie ebenso über die Rampe wie ihre Sterbeszene im 3. Akt. Das Publikum lächelte und weinte mit ihr an diesem Abend, ohne dass der Sängerin von einer ausgefeilten Beleuchtung oder einem beeindruckenden Bühnenbild Hilfe zuteil wurde. Hier mußte die Künstlerin allein mit ihrer Stimme, ihrem Ausdruck und letztlich mit ihrem Können das Publikum gefangen nehmen und genau diese Magie fand an diesem Abend statt. John Osborn übernahm die Partie des Alfredo. Der erfahrene Tenor meisterte sie mit strahlender Stimme, die man sich bei manchem Tenor des deutschen Faches wünschen würde, wo man oft steifes oder gar gebrülltes zu hören bekommt. Osborn war an diesem Abend möglicherweise etwas indisponiert, was aber aller höchstens an zwei bis drei stellen nur dem sehr aufmerksamen Zuhörer aufgefallen sein dürfte. Auf jeden Fall war er ein vollkommen ebenbürtiger Partner für Lynette Tapia, was sich spätestens bei „Parigi, o caro, noi lascermo“ zeigte. Viel besser kann man das nicht hören. William Wilson als Giorgio Germont war ein weitere Höhepunkt des Abends sein „Di Provenza il mar“ blieb zurecht nicht ohne Szenenapplaus. Nicht versäumen zu erwähnen sollte man Stephen K. Foster ein aus Hawaii stammender Newcomer als Baron Douphol, der für sein Alter eine erstaunliche Bühnenpräsenz zeigte und mit einer wunderbaren Bass/Bariton Stimme gesegnet ist. Insgesamt zeigte das Ensemble eine sehr gute Leistung ohne Unsicherheiten oder gar falsche Einsätze, mit sehr viel Spielfreude und Begeisterung, die sich übertrug, so dass man mit stehenden Ovationen allen Beteiligten dankte. Es wurde einmal mehr deutlich, dass die Oper für sich selbst bestehen kann und nicht der Hilfe eines Ausstattungszirkusses oder gar der Neudeutung durch einen Starregisseur bedarf, um ein Publikum zu begeistern. Es kommt auf die Musik und die Leistungen der Künstler an. Es wäre an der Zeit für viele Opernschaffende, sich darauf zu besinnen. Weitere Vorstellungen am 05.09.14 in der Stadthalle Wetzlar und am 06.09.14 im Theater Rüsselsheim.