Montag, 14. April 2014

Arabella in Salzburg

Gestern kam auf 3-Sat die Übertragung der "Arabella" aus Salzburg. Ich war deshalb besonders neugierig, weil in der neuen Spielzeit diese Inszenierung mit fast derselben Besetzung in Dresden zu sehen sein wird.

Zunächst mein Gesamteindruck - es hat mich nicht vom Stuhle gerissen, die sonst üblichen kalten Schauer über den Rücken blieben aus. Warum? Ich versuche es zu erklären.

Die Regie war kein Regietheater im Sinne einer Verunstaltung, es war eine originalgetreue Arabella. Im 1. Akt ein der finanziellen Situation der Fam. Waldner angepaßtes zweitklassiges Hotel-Appartement, da gab es nichts zu meckern. Im 2. Akt der Ballsaal war zwar kein Ballsaal, aber das geräumige Hotelfoyer wurde durch geschickte Kulissenverschiebungen zum Ballsaal gemacht. Und der 3. Akt war wieder im reinen Foyer. Trotzdem fehlte etwas, es hat mich nicht berührt. War es die fehlende Treppe, die fehlende gewohnte rote Farbe der Plüschmöbel? Weiß nicht, ich fand es unpersönlich und wenig athmosphärisch.

Die Kostüme waren teilweise sehr schön. Arabella im 1. Akt zweckmößig, Graf Waldner und Frau ebenso, und über Zdenka in Männersachen gab es auch nichts zu meckern. Mandryka paßte optisch gut in seine Rolle. Matteo hätte man etwas anders ausstaffieren können. Im 2. und 3. Akt war das Kleid von Arabella ein echter Hingucker, tolles Kleid. Die ihrer Männerkleider entledigte Zdenka machte allerdings einen etwas platten und bubernen Eindruck. Die Fiakermilli kann man so darstellen.

Gar nicht gefallen hat mir die Positionierung des Männerchores mit militärisch exakt ausgerichteter Aufstellung im 3. Akt. In meinen Augen waren die Herren in Horch und Guck-Pose ohne jede Bewegung zu statisch, ausdruckslos, ohne Emotion.

Also Inszenierung und Kostüme mit Schulnoten waren etwa eine 3, mehr nicht. Ich glaube, beim Schlußapplaus auch vereinzelte Mißfallensrufe gehört zu haben. Ein Buhkonzert gab es aber nicht, das wäre auch unverdient gewesen.

Nun zur Musik. Die Staatskapelle Dresden unter Thielemann machte einen guten Job. Aber ob es an der Übertragung oder an der Akustik lag - es war mir zu trocken, zu wenig der typische Strauß-Streicherklang, den gerade die Dresdener so gut beherrschen.
Gesanglich ist festzustellen, daß Renee Fleming als Arabella etwas Zeit brauchte, um in Form zu kommen. Allerdings war sie im 2. und 3. Akt auf der Höhe und optisch nach wie vor sehr sehenswert. Im Finale war sie das, was ich erwartet hatte - eine große Sängerin. Man kann verstehen, daß Mandryka (Thomas Hampson) sich in diese Frau verguckt hat. Nicht verstehen kann ich allerdings die Hype, die um Hampson gemacht wird. Er hat mir überhaupt nicht gefallen, selbst in Chemnitz habe ich bessere Stimmen erlebt, von Tonaufnahmen ganz zu schweigen. Sicher ist die Partie schwierig, aber das weiß ich doch, wenn ich sie annehme!
Die Zdenka war phantastisch, im Duett "Aber der Richtige.." war sie der Fleming fast überlegen. Daniel Behle als Matteo war gut. Die Fiakermilli sehr gut. Graf Waldner (Albert Dohmen) paßte sehr gut in die Rolle, optisch, auch gesanglich. Der Sänger des Grafen Elemer stand dem Herrn Behle in nichts nach, auch wenn sein Name mir entfallen ist. Alle anderen Sänger waren auf der Bühne ohne nachhaltigen Eindruck.

Alles in Allem eine angenehme Aufführung, mehr nicht. Ich habe sie aufgenommen, aber ob ich sie behalte oder wieder lösche, das weiß ich noch nicht.

Mich würde schon interessieren, ob und wie andere Opernfreunde diese Inszenierung gesehen haben.

U.B.

Freitag, 11. April 2014


Der neue "Lodengrün" an der Wiener Staatsoper - Ein Generalprobenbesuch von Saskia Ellmer


Mikko Franck | Dirigent
Andreas Homoki | Regie
Wolfgang Gussmann | Ausstattung
Franck Evin | Licht
Werner Hintze | Dramaturgie
Thomas Bruner | Bühnenbildmitarbeit
Carl-Christian Andresen | Kostümmitarbeit

Günther Groissböck | Heinrich der Vogler, deutscher König
Klaus Florian Vogt | Lohengrin
Camilla Nylund | Elsa von Brabant
Wolfgang Koch | Friedrich von Telramund, brabantischer Graf
Michaela Martens | Ortrud, seine Gemahlin
Detlef Roth | Der Heerrufer des Königs


Ich möchte vorausschicken, sehr positiv in diese Generalprobe gegangen zu sein, da ich der festen Meinung war, es könnte nicht schlimmer kommen, als die letzte "Inszenierung" von Barrie Kosky war. Nun, ich fand es auch nicht schlimmer, aber anders schlimm. 

Ich fürchte, ich bin ein sehr dummer Mensch, denn ich habe nicht verstanden, was "Lohengrin" im Trachtenverein verloren hat. Es bestehen durchgehend alle Kostüme aus Trachtenkleidern, Dirndln, Trachtenanzügen, Hüten mit Gamsbärten, etc. Dazu "Gretelfrisuren", und ich frage mich wirklich, was z.B. Elsa von Brabant anficht, eine solche zu tragen. Was wollen Andreas Homoki und Wolfgang Gussmann damit ausdrücken? Soll das lustig sein? Macht er sich über die "Deutschtümelei" lustig? Ich weiß es nicht und will es auch nicht wissen. Trachten sind zeitlose Kleidungsstücke, die gerade jetzt wieder sehr modern sind und mit einer etwaigen Gesinnung überhaupt nichts zu tun haben. Das scheinen die Herren in ihrer Regietheater-Ignoranz verschlafen zu haben. 
Verschlafen hätte ich aber beinahe sonst so einiges, da ich mich großteils tödlich gelangweilt habe. Der finnische Dirigent Mikko Franck verschleppt die sonst so spannungsgeladene Musik teilweise bis zur Unkenntlichkeit. Man muss ihm zwar zugute halten, dass er erst so kurzfristig von Bertrand de Billy übernommen hat, ich nehme allerdings an, er hat bereits Erfahrung mit dem Werk, da es ja sonst unverantwortlich wäre, ihn an so einem Haus übernehmen zu lassen. Klaus Florian Vogt in der Titelrolle ist ein sehr erfreulicher Anblick, allerdings endet die Freude hier auch schon wieder. Er ist stimmlich heillos überfordert, ist teilweise kaum zu hören und das, was man hört, ist von Wohlklang leider ziemlich weit entfernt. In den letzten Tagen fiel immer wieder das Wort 'Knabensopran'...Mei, wir wollen es nicht vertiefen. Abschließend zu Herrn Vogt bleibt die Feststellung, dass dieser Sänger allenfalls als Lohengrin-Paradie gemeint sein kann, was aber in Regietehater-Zeiten, in denen keiner mehr was von Stimmen versteht, leider nichts ungewöhnliches wäre.... Camilla Nylund singt und spielt ihn locker an die Wand, besticht durch eine wunderbare Mittellage, sichere Höhen und gibt das gute Gefühl, keinerlei Probleme zu haben. Positiv überrascht hat mich auch Michaela Mertens als Ortrud, der man ein paar kleine Schärfen gerne verzeiht. Unbedingt hervorzuheben ist Günther Groissböck als Heinrich der Vogler, der in diesem Ensemble die Ehre der Herren rettet. Mit prachtvoller, gut geführter Stimme gibt er seiner Figur Konturen und erzeugt spannende Momente, obwohl auch er, wie alle, in ständigem Clinch mit den seltsamen Tempi des Dirigenten lag..

 Zuletzt wollte ich über die Personenführung berichten, alleine, ich konnte keine entdecken. Hätten die Sänger untereinander vereinbart, wie sie sich in der eigenartigen Kulisse bewegen und geben wollen, wäre es wahrscheinlich noch besser und glaubwürdiger geworden. So stolpern sie in Szenen herum, die von wenig Sinn und Verstand zeugen. Es wird mit einem Spielzeugschwänchen herumgespielt, Herr Vogt darf in einem kurzen Nachthemd seine ansehnlichen nackten Beine zeigen und mit Elsa einmal mehr am Boden sitzend Hochzeit feiern. Wie originell....!

 Fazit: die ganze Inszenierung bleibt in einem Wust an langweiligen Banalitäten hängen. Auch musikalisch haben wir schon viel bessere Zeiten in Wien erleben dürfen. Wir haben nun eine weitere Aufführung im Repertoire, deren Besuch man sich getrost sparen kann. Schade, eine weitere vertane Chance.

Donnerstag, 10. April 2014

 TOSCA und der Philo-Quatsch,  Bielefeld 05.04.2014
 Als Präsident des Soojin Moon-Fanclubs war ich gestern in Bielefeld, um deren Tosca zu sehen. 
Oper in Deutschland, das heißt ja wohl unweigerlich: her mit einem Regiekonzept! Das hat sich auch gestern wieder bewahrheitet. Zum Glück hatte ich mich gut vorbereitet (mit einem guten Glas), aber es kam trotzdem ziemlich Dicke.
 Tosca war reduziert zu einer minimalistischen Kammer-Oper, ausgehend von einem Philoso- Qatsch-Konzept von Regisseur Sebastian Bauer, das so hirnrissig und weit hergeholt war, dass ich den zugrundeliegenden Gedanken, soweit den überhaupt jemand gedacht hatte, hier lieber nicht erörtern möchte. Ich glaube, meine deutschen Freunde benutzen dafür das wunderschöne Wort ,voll-idiotisch'.

Einige praktische Konsequenzen des Konzepts waren u.a. (so eine Art) Vissi d’Arte, das schon vor Anfang der Oper zum Besten gegeben wurde (eine Möglichkeit, die Puccini seinerzeit völlig entgangen sein muss), ein Cavaradossi, der begeistert Fernsehgeräte anstreicht, ein Trödler in Fernsehern, der ohne jeden erkenntlichen Grund das Angelus zu beten beginnt, die Aria Vissi d’Arte (gleich die 2. des Abends), die aufgehübscht wird durch eine ,kleine Tosca', die die Mordwaffe bringt, und ein 'E Lucevan Le Stelle', das vom Knarren eines drehenden Podiums begleitet wird. Hinzu kamen noch ein paar alte Bekannte aus dem Fundus der Modernen Regie, etwa die unvermeidlichen Maschinengewehre und ein Saal, der voll in die Scheinwerfer gerückt wird, ein Kunstgriff, der auch schon zum 3027. Mal an uns durchexerziert wird.

Aber zum Glück kamen wir in musikalischer Hinsicht voll und ganz auf unsere Kosten. Obwohl leicht indisponiert, brillierte Soojin Moon in der Titelrolle wieder wie eh und je. Was für eine Persönlichkeit! Auf die Frage ,Was wollt Ihr denn' gibt es für uns somit nur eine Antwort. Auch der Rest der Besetzung, u.a. unser ,eigener' Frank Dolphin Wong aus Holland, der einen sehr guten Scarpia gab, war wirklich in Ordnung. Alles in allem doch noch ein gelungener Abend, besonders als wir dann auch noch die überraschende Entdeckung machten, dass man in Bielefeld auch wirklich sehr gut soupieren kann.
 von Olivier Keegel

Montag, 7. April 2014

Hermann und die grünen Noppen -  Pique Dame-Premiere am Opernhaus Zürich




Am 06.04.2013 habe ich es wieder mal gewagt, einen Fuß in die Züricher Oper zu setzen. Regietheater hin oder her – die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Robert Carsen ist zwar dafür bekannt, modern zu inszenieren, aber immerhin sieht es bei ihm in allgemeinen noch elegant auf der Bühne aus – also kein Blut, keine Nackten, Nazi-Uniformen, et cetera et cetera. Man kann es ja mal probieren, dachte ich …

Allerdings ließ bereits die Einführung Schlimmes befürchten. Zunächst hatte die sympathische Frau Dramaturgin einige Fakten zur Entstehungsgeschichte des Werks, aus Tschaikowskis Leben und über die Motive der Partitur. Das war interessant (auch wenn an einiges schon vorher wusste) und machte Glauben, man sei in einer ernsthaften Veranstaltung gelandet, bis Frau Dramaturgin erklärte, man habe in einigen Szenen der Oper radikal den Rotstift angesetzt, weil der Regisseur aus ominös-zweideutigen Briefen wisse,was der Komponist wirklich wollte, aber nicht umsetzten konnte. Tschaikowski habe sich wieder einmal den Konventionen in St. Petersburg anpassen müssen und dabei seine eigenen Wünsche zurückstellen müssen.

Das übliche Blabla. Hurra!- endlich wissen wir es und, Carsen sei Dank, habe man den Eingangschor sowie das Schäferspiel gestrichen, um näher an Tschaikowskis eigentliche (!) mutmaßliche Intentionen heranzukommen. Der Regisseur hat uns diesbezüglich erleuchtet.

In einem Punkt muss ich dem Regisseur also Komplimente machen, denn durch die Kürzungen musste ich seine „Inszenierung“ nicht noch länger ertragen. Dennoch war es ein Abend, der bis auf einige kurze Augenblicke nach der Pause vor allem eines war: sterbenslangweilig.

Natürlich darf man bei Neuinszenierungen nicht mehr den roten Hauptvorhang des Opernhauses verwenden, der ist ja viel zu schön. Schwarz soll er sein zu Beginn. Und natürlich hebt er sich bereits zur Ouvertüre – man darf ja heute Musik nicht mehr bei geschlossenem Vorhang genießen. Hermann liegt bereits sterbend auf dem Boden, das Geschehen spielt sich als Rückblende in seinem Kopf ab. Hat man in dieser Originalität noch nie gesehen vor Herrn Carsen. Noch nie.

Wahrlich revolutionär wäre es doch gewesen, auf ein Abspielen der weiteren Oper ganz zu verzichten, wenn der Held bereits am Anfang stirbt. Man könnte Violetta oder Mimi ganz prima am Anfang sterben lassen – und den Rest der Oper dann einfach streichen, das wäre mal was ganz Neues und Hochintellektuelles, darüber hinaus würde es kostbare Lebenszeit ersparen. Dies allerdings nur am Rande.

Nun, der Kinderchor am Anfang war also gestrichen, denn die Szene spielte bereits in einem Kasino, wo unter 18jährige bekanntlich keinen Zutritt haben. Dass die Übertitel auf eine Szene im Park Bezug nahmen und das Bühnengeschehen ad absurdum führten, nahm das Regieteam wohl in Kauf (oder es war ihnen einfach wurscht).

Der von Michael Levine entworfene Einheitsraum war komplett grün ausgefallen, drei grüne scheußliche Wände mit Noppen, wie wir sie von alten Ledersofas kennen. Das ganze wurde in düsteres Einheitszwielicht getaucht. Dazu gab es Spieltische, die von Lampen beleuchtet wurden, die aussahen wie Besen – ebenfalls in grün. Toll – wenn man bedenkt, dass man die Szene auch in ein Bahnhofsklo hätte verlegen können.

Brigitte Reiffenstuel hat Kostüme in Stil der Sechziger entworfen und sich dabei am Film „L'année dernière à Marienbad“ inspirieren lassen. Nur wie oft in Regietheater-Zeiten kann dieser Film herangezogen werden?  Und warum durfte das Stück nicht 1790, wie laut Libretto angegeben spielen oder zumindest um 1830 wie bei Puschkin? Der Regisseur wusste es wohl wieder einmal besser.
Hatte die Dramaturgin in der Einführung noch von wunderschönen Kostümen gefaselt, musste ich konsterniert feststellen, dass es sich um gewöhnliche Abendkleider handelte, alle in schwarz selbstverständlich, nur bei der alten Gräfin reichte noch es für einen weißen Pelzmantel. Tierschützer werden ihre Freunde gehabt haben.

Kaum konnte man in der Dunkelheit die Sänger sehen, geschweige denn auseinander halten.
Dann wurden die Spieltische weggeräumt und die Mädchen formierten einen Stuhlkreis. Das Klavier stand nicht auf der Bühne, sondern im Graben. Hermann, in dessen Kopf sich das ganze abspielen sollte, kreiste enervierend um die Stühle. Dann fuhr eine Wand von hinten nach vorne. Sollte wohl Enge oder Ausweglosigkeit suggerieren. Leider konnte man da die grünen Noppen nicht mehr anschauen. Auch bezweifle ich, das ein Spielsüchtiger wie Hermann immer an grüne Noppen denkt, aber was solls, sei´s drum....

Jedenfalls war man im zweiten Akt nicht auf einem Maskenball, sondern wieder im Kasino. Abermals waren Übertitel und Szenerie völlig zweierlei. Zum Ende der Szene, wenn eigentlich die Zarin auftreten sollte, wurde ein Bett von oben heruntergelassen und "landete" auf den nun zusammengeschobenen Spieltischen. Hermann kletterte darauf und von oben ergoss sich ein Regen aus Dollarnoten. Platt. Lächerlich. Holzhammer. Bildete sich der Spieler nun ein, selbst die Zarin zu sein? Man weiss es nicht und will es gar nicht wissen.

Dafür war mitten im zweiten Akt war Pause. Damit man von der ursprünglichen Akteinteilung nichts mitkriegt, ist im Programm nur noch von durchnummerierten Bildern die Rede – allerdings passt die Pause an dieser Stelle gar nicht. Dass Tschaikowski den zweiten Akt mit seinen beiden Bildern als eine Einheit betrachtete ( sonst hätte er es nicht als Akt bezeichnet), kam Herrn Carsen offenbar nicht in den Sinn.

Als es nach einer halben Stunde weiterging, befürchtete man das Schlimmste und wurde positiv überrascht. Auf einmal hielt sich der Regisseur zumindest ansatzweise ans Libretto (soweit das trotz Zeitverlegung noch möglich war) und da gelangen dann doch noch zwei wirklich spannende Szenen, die mit ein paar Theatertricks garniert waren. Die Szene im Gemach der alten Gräfin und das darauf folgende Bild mit der Beerdigung und dem gräflichen Geist waren sehr intensiv und musikalisch umgesetzt. Auch die Lichtregie brachte etwas Abwechslung, denn die grünen Noppen waren ein paar Minuten nicht sichtbar.

Aber das Regietheater gönnt einem bekanntlich nichts. Und so ging die Tristesse bald weiter. Statt in den Fluss zu springen, rennt die Lisa immer im Kreis in dem grünen hässlichen Noppen-Raum. Ach du liebes Lieschen, dachte ich. Und auch die Schlussszene, wieder mit den Spieltischen und Besenlampen ist todlangweilig und völlig um den Effekt gebracht – peinlich.

Dass der Abend so uninspiriert war, ist nicht nur der aalglatten Regie, sondern auch den Sängern anzulasten. Aleksanders Antonenko ist zwar ein sehr ansprechender Hermann. Er war erst in den Endproben in die Inszenierung eingestiegen, was man ihm aber zu keinem Zeitpunkt anmerkte. Allerdings: was kann schon der beste Sänger in einem so doofen Ambiente erreichen? Wenig, auch wenn Antonenko permanent sein Bestes gab und mit seinem dunklen Tenor mit metallischem Timbre und sicheren Höhen das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss. Tatiana Monogarova ist dagegen keine Lisa. Auch sie litt unter der emotionslosen Regie, aber anders als Antonenko klang sie angestrengt, müde und belegt. Die Tonproduktion war weitgehend gaumig, die Darstellung blass - man nahm ihr zu keinem Zeitpunkt die Zerrissenheit oder Verzweiflung der Lisa ab. Schade.

Völlig fehlbesetzt war auch Doris Soffel, die mit den Trümmern ihrer Stimme das Rollendebut als Gräfin gab. Ihr Mezzo klang hart, müde und krächzend. Undifferenziert und laut war die erste Strophe des „Je crains de lui parler la nuit“, die zweite Strophe gelang ihr etwas besser. Auch hatte es die große und stattliche Sängerin schwer, eine gebrechliche Greisin zu verkörpern, da half es auch nicht, dass ihr ein Stubenmädel die schicke Perücke vom Kopf zog und darunter graue Haare zum Vorschein kamen. Treffer versenkt, Rolle verschenkt.

Immerhin gelang es Brian Mulligan, in der undankbaren Partie des Jeletzky etwas Stimmung aufkommen zu lassen. Feinheiten und Differenzierung sind zwar auch nicht die Stärke dieses Sängers, aber er sang seine Arie mit einer derartigen kernigen Eleganz, dass man man ihm erstere Schwäche gerne verzieh. Positiv fielen noch Anna Goryachova mit warmem Mezzosopran als Pauline und Alexey Markov als Graf Tomski auf, die restlichen kleineren Partien waren zumindest solide und rollendeckend besetzt.

Sehr schön und präzise sang der von Jürg Hämmerli einstudierte Chor, während das Orchester unter Jiri Belohlavek vor allem eines war: laut. Immer wieder wackelte es zwischen Bühne und Graben gewaltig, das Orchestervorspiel zum Maskenball war leider völlig versemmelt . Auch wenn es gegen Ende noch einige stimmungsvolle Momente gab, eine solche Orchesterleitung trug die Oper nicht mal ansatzweise, dafür fehlte es der Interpretation an Spannung und Farben.

Am Ende feierte das Publikum Aleksanders Antonenko, während die übrigen Sänger lediglich freundlichen Applaus erhielten. Beim Erscheinen des Regieteams gab es beides: Applaus und Missfallsbekundigungen, allerdings waren letztere noch verhältnismäßig milde. Der Deutsche neben mir fand die Vorstellung rundum „Suppa“, was soll`s ,wir wollen ihm den Glauben, der ihn beglückt nicht rauben.

Dennoch zum Schluss: Das Opernhaus Zürich befindet sich offensichtlich in schlechtem Zustand. Auch Gespräche mit Mitarbeitern belegen das deutlich. Die völlig fehlbesetzen Sänger hätten einem wachsamen Intendanten auffallen müssen, von der deplatzierten Inszenierung rede ich gar nicht. Auch das Orchester spielte in der Intendanz Pereira auf ganz anderem Niveau.

Fazit: Fahrten nach Zürich werde ich mir weiterhin wieder sparen, zumal nächste Saison keine wirkliche Besserung in Sicht ist! Eine Alibi-Netrebko als Anna Bolena (wenn sie denn singt) macht den Braten noch lange nicht fett. Man kann nur hoffen, dass die Züricher diesen Intendanten gemeinsam mit seinen Regietheaterfreunden schnellstmöglich entfernen.

Sterne: 
-szenisch:      2 von 5
-musikalisch: 3 von 5

Sonntag, 6. April 2014

Ei, ei, die  Cosi oder: Augen zu und durch!

Cosi fan tutte, Salzburg, 2006
DVD, DG, 2006

Besetzung:
Ana María Martínez, Fiordiligi
Sophie Koch, Dorabella
Stéphane Degout, Gugliemo
Shawn Mathey, Ferrando
Helen Donath, Despina
Sir Thomas Allen, Don Alfonso

Wiener Philharmoniker
Lt. Manfred Honeck
Regie: Ursel und Karl-Ernst Hermann

Bewertung: Zwei von fünf Eiern … äh, Sterne


Da ist das Ei. Auf der großen, aber dafür um so leereren Bühne des großen Festspielhauses liegt ein überdimensionales Ei. Was es da tut und wozu es gut ist, erschließt sich dem geneigten Zuschauer nicht. Dazu bedarf es des Bonus-Materials zu dieser DVD, denn da erklärt Don Alfonso Sir Thomas Allen, der Regisseur Karl-Ernst Hermann habe sein ganzes Hirn ins Bühnenbild gesteckt. Offenkundig ist es im Ei gelandet. Und drin geblieben. Und das schon in einem sehr frühen Stadium dieser Produktion.

Dafür hat sich dann, wie sich aus dem Interview mit dem Ehepaar Hermann, ebenfalls im Bonus-Material der DVD, ergibt, Ursel Hermann ihrer Vorstellung von einer „zeitgemäßen“ Cosi fan tutte gewidmet. Sie hat – oh Wunder – festgestellt, dass das Mozart/Da Ponte Original eine ziemlich „frauenfeindliche“ Veranstaltung ist und in der Tat: Was die beiden Jungs Ferrando und Gugliemo unter der Anleitung ihres eindeutig nicht von Frau Hermanns Frauengruppe auf Linie gebrachten alten Freundes Don Alfonso da veranstalten, ist fies und sexistisch. Die jungen Herren schwärmen dem alten Zyniker vor, welche Muster an Tugend, Schönheit, Liebenswürdigkeit, Treue und Tralala ihre Damen, die Schwestern Fiordiligi und Dorabella sind. Don Alfonso überredet sie zu einer Wette, in der die Treue der Damen getestet werden soll – und fädelt die Geschichte mit Hilfe von Despina, der Zofe der Schwestern, entsprechend ein: Die Schwestern bekommen erzählt, ihre Verlobten müssten in den Krieg, die jungen Herren reisen ab, um dann als Fremde maskiert und von Don Alfonso eingeführt wieder zu kommen. Dann machen sie sich daran, die Braut des jeweils anderen zu verführen, was ihnen – zu ihrem Entsetzen – auch gelingt. Als man beim Wechsel-das-Bäumchen-Spiel zum Höhepunkt kommt – nämlich der Hochzeit der Damen mit ihren ausländischen Verehrern – hat Don Alfonso seine Wette gewonnen, stoppt das Spiel und bringt die Jungen in ihrer „wahren“ Gestalt zurück. Es gibt noch eine kleine Auseinandersetzung, doch danach finden sich die „wahren“ Paare wieder zusammen und man beschließt „Schwamm drüber“.

Die Story ist mit Sicherheit nicht die gelungenste, die dem Dreamteam Mozart und Da Ponte je eingefallen ist. Die Verwechslungen folgen dem Konzept der Comedia del Arte und sind heute nicht mehr glaubhaft. Dementsprechend ist es ein Problem, die Cosi glaubwürdig auf die Bühne zu bringen.

Ursel Hermann versucht es, in dem sie die Mädchen zu Zeugen der Wette macht. Sie wissen also von Anfang an Bescheid und spielen – aus Gründen, die Frau Hermann nicht erklärt – mit. In Ursel Hermanns Vorstellung sind sie damit offenkundig von dummen, hereingelegten Schäfchen zu taffen Girls befördert. In den Augen der Zuschauer aber ergibt sich daraus, dass sie von vielleicht etwas oberflächlichen, aber durchaus sympathischen jungen Mädchen zu „real bitches“ werden.

Doch das ist nicht das einzige Problem mit diesem Regiekonzept. Das Größte ist, dass Mozarts Musik es nicht trägt. Ganz im Gegenteil: Im Fall dieser Cosi widersprechen sich Musik und Regie. Das beginnt in der Abschiedsszene, wenn die jungen Herren angeblich in den Krieg ziehen. Wenn die Mädchen wissen, dass es um einen Plot geht, ist ihr Schmerz nicht glaubhaft – und damit wird die Musik konterkariert, die eben diesen Schmerz sehr berührend darstellt.

Und so geht es weiter. Eine der wichtigsten, musikalisch schönsten Szenen in der „Cosi“ – und vermutlich einer der Gründe, warum diese doch eher alberne Geschichte zum Standardrepertoire jeden Opernhauses gehört – ist die zwischen Fioridiligi und Ferrando. Er weiß, dass sein Freund Gugliemo seine Braut Dorabella bereits für sich gewonnen hat. Und nun setzt er alles daran, Gugliemos Fioridiligis zu erobern. Und hier bekommt die Komödie durch Mozarts Musik plötzlich ungeheuren Tiefgang. Fioridiligi kämpft wirklich. Für sie ist das, was da passiert, existentiell. Sie stellt ihr ganzes Lebenskonzept in Frage, sie ist zerrissen, sie leidet. Und auch bei Ferrando geht es nicht mehr um die Wette. Er ist bereit, sein Leben daran zu setzen und in dem ist nicht nur „Ich will gewinnen“ und verletzte Eitelkeit, weil seine Dorabella ihn betrogen hat, da ist auch die Verwirrung seiner Gefühle. Er müsste schon sehr abgebrüht sein, wenn Fiorididiligis Kampf um die ihren ihn nicht ergreifen würde.

Diese Szene, die so zentral für „Cosi“ ist, in der Mozart seine ganze psychologische Meisterschaft, seine ganze Teife zeigt, wird beim Regiekonzept der Hermanns – um es mit der gebotenen Deutlichkeit zu sagen – vermasselt und verwässert. Man kann sie nicht sehen, ohne sich zu fragen, ob die beiden Regisseure gar nicht begriffen haben, was da eigentlich passiert oder ob es ihnen vollkommen wurst war.

Es gibt ganz sicher schlimmere Regietheater-Produktionen als diese Salzburger Cosi. Aber sie ist in dem symptomatisch für das Generalproblem: Den mangelnden Respekt vor der Werk und das fehlende Verständnis für das, was die Musik eigentlich ausdrücken will.

Was bleibt noch zu sagen? Über die Regie nur noch, dass die Kostüme häßlich und das Bühnenbild langweilig ist. Das Ei reißt es nicht raus.

Dennoch bedauere ich nicht, diese DVD im Schrank zu haben. Ich verwende sie nämlich als CD: Einlegen, Augen zu und mit Hochgenuss durch. Die Wiener Philharmoniker unter Manfred Honeck spielen Mozart auf höchstem Niveau. Er schwebt, er swingt, er geht in die Tiefe, er hat Schmelz, Charme und er ergreift.

Die Sänger sind, was man in Salzburg erwartet. Ana María Martínez brilliert als wunderbare Fioridiligi mit Tiefe und Wärme und perfekter Phrasierung; Sophie Koch ist eine zauberhafte Dorabella. Der lyrische Tenor Shawn Mathey als Ferrando könnte einen Eisberg zum Schmelzen bringen und Stéphane Degout ist ein viriler, jungenhafter Gugliemo, der Stimmkultur und Eleganz mitbringt. Sir Thomas Allen beweist, dass er nicht nur der Meister des Parlandos ist, sondern das manche Stimmen nicht altern, sondern höchsten reifen. Der einzige Schwachpunkt ist Helen Donath, deren Stimme manchmal ein wenig scharf wird.

von Sibylle Luise Binder

Freitag, 4. April 2014

Herzlich Willkommen auf unserem neuen Blog über die schönste Kunstform der Welt!

Welcome to our new blog about world's most beautiful art form!