Glanzvolle Tosca im
Schillertheater
am 24.5.2014
am 24.5.2014
Ein gelungener Opernabend, der das
Publikum aufwühlt, belebt, beglückt und anregt, ist in den Zeiten
der allgegenwärtigen Regietheater-Diktatur eher seltener geworden,
zumal man auf vielen Opernbühnen auch Sänger und Sängerinnen zu
hören bekommt, die ihren Rollen nur bedingt gerecht werden. Umso
schöner, wenn es dann und wann doch noch erfreuliche Ausnahmen gibt.
Eine solche war die 177. Vorstellung
der Tosca in der Inszenierung Carl Rihas, einer äußerst
erfolgreichen Produktion, die allerdings schon bald durch eine
„Neuproduktion“ ersetzt werden wird, die sicherlich gar nicht so
neu sein wird – denn außer der althergebrachten, immer gleichen
Aktualisierungsmanie hat das sogenannte moderne Regietheater wohl
kaum etwas wirklich wichtiges zu bieten - wenngleich seine Macher das
auch anders sehen mögen. Die Bühnenbilder von Wolfgang Bellach sind
wuchtig und düster, aber sie passen wunderbar zur bedrohlichen
Atmosphäre, die sich schon gleich zu Beginn über der Oper
ausbreitet. Auffallend ist eine gute Lichtregie, die noch mit
Verfolgern arbeitet, was heutzutage ebenfalls einer Seltenheit
gleichkommt.Im dritten Akt sehen wir nicht die im Morgenrot
schimmernde Kuppel des Petersdoms, sondern befinden uns im Innern der
trutzigen Engelsburg; allenfalls hinter den Zinnen sehen wir ein
Stück Himmel. Im Mittelpunkt befindet sich jedoch die Zelle des
unglücklichen Malers Cavaradossi, der in die Fänge der
unerbittlichen Justiz des Polizeistaates geraten ist. Ein Entrinnen
kann und wird es daraus nicht geben – diesen Eindruck vermittelt
das bedrückend wirkende Bühnenbild.
Qualitativ hochwertige Aufführungen an
einer großen Bühne - selbst wenn die (Schauspiel)bühne des
Schillertheaters räumlich gesehen kaum als groß zu bezeichnen ist -
werden nicht nur durch gute Solisten, sondern auch gute Sänger in Nebenrollen
bestritten. Genau dies wurde vom ersten Moment an deutlich. Sowohl
Artu Kataja (Angelotti) als auch Raimund Nolte (Mesner) und Michael
Smallwood (Spoletta) konnten stimmlich und darstellerisch voll
überzeugen; gerade der linkisch-bigotte Mesner, dessen
leichtfertiges Gerede an der Katastrophe ja keinen geringen Anteil
hat, wurde von Raimund Nolte hervorragend gespielt.
Béatrice Uria-Monzon stellte
eine wunderbare Tosca dar – leidenschaftlich, verzweifelt, naiv
und krankhaft eifersüchtig. Ihre flammenden Höhen waren genau das,
was diese Rolle braucht. Im dritten Akt waren manche ihrer hohen Töne
etwas zu offen, aber beim berühmten Vissi d'arte konnte sie auch hohen Erwartungen gerecht werden, wenngleich man sich stellenweise ein etwas
ausgeglicheneres Piano gewünscht hätte. Über die Qualität ihrer
Stimme, die der Sängerin ein sehr breites Repertoire gestattet,
kann es jedoch keine Diskussion geben.
Gute Tenöre sind ja nicht nur heuer
eher Mangelware. Umso erfreulicher, dass Jorge de Leon als
Cavaradossi vom Gegenteil überzeugen konnte. Seine kraftvolle,
jugendlich-dramatische Stimme bekam der Rolle sehr gut, und von solch
strahlenden, voluminösen Höhen könnten viele, ansonsten in den
Medien ungleich präsentere Kollegen wohl nur träumen. Mittellage
und Mezzavoce klangen stellenweise etwas fest, man hatte den
Eindruck, dass der Tenor seine Stimme unnötig drossele, was bei so
einem herrlichen Material sehr schade ist. Wenn es ihm jedoch
gelingt, auch die Mittellage so locker und unverkrampft wie die Höhe
anzugehen, wird er dem Publikum hoffentlich noch lange als für das
italienische Tenorfach prädestinierter Sänger erhalten bleiben.
Der lettische Bassbariton Egil
Silins war ein furchterregender und einschüchternder Polizeichef
Scarpia – ganz so, wie die Rolle musikalisch und darstellerisch
auch angelegt ist. Vom ersten Augenblick an konnte man die Klasse
dieser hervorragend geführten, voluminösen (Wagner)stimme
genießen. Das Eingangsmotiv des Scarpia – eine düstere, nahezu schwarz wirkende Folge aus einem B-Dur, As-Dur und E-Dur-Akkord
kündigt den Mann an, der – genau wie Cavaradossi es beschreibt –
als brutaler Henker und bigotter Beichtvater zugleich Rom
beherrscht. Wenn nun ein solch skrupelloser Machtmensch dann auch
musikalisch so überzeugend dargeboten wird, wie es Egil Silins
gelang, kann das Publikum sich ganz in die bedrückende Geschichte
dieser Oper hineinversetzen.
Stefano Ranzanis Dirigat war
besonders bei den fff-Stellen wuchtig und überzeugend, generell
hätte man aber, vor allem zugunsten der Sänger, etwas mehr
Differenzierung erwarten können, was bei einem so hochwertigen
Klangkörper wie der Staatskapelle Berlin wohl kein Problem
darstellen dürfte. Tosender Beifall schloss diesen großartigen
Opernabend ab.
Aus der Internetseite der Staatsoper
geht hervor, dass es sich bei dieser Vorstellung wohl um die letzte
Aufführung dieser Inszenierung gehandelt haben muss, denn schon in
der nächsten Spielzeit wird sie durch besagte Neuproduktion ersetzt.
Warum? Ist es wieder einmal das äußerst fadenscheinige Argument, dass
die Kulissen der nun schon seit 1976 so erfolgreich laufenden
Produktion in die Jahre gekommen seien? Oder ist nicht mittlerweile
eine gewisse Systematik zu beobachten, mit der die
pseudointellektuellen Zwangsbeglücker alte Inszenierungen
ausmustern, um die Werke ihren abstrusen Neudeutungen zu unterziehen?
Wie immer es auch sei – liebe Theatermacher, bitte seid wenigstens
ehrlich! Passieren kann euch, die ihr wie in keinem zweiten Land
dieser Welt steuerlich subventioniert werdet, auf dass ihr eurer
als "Kunst" deklarierten Minderheitenbespaßung frönen könnt, doch eigentlich gar nichts. Oder doch? Seid ehrlich und
initiiert nicht noch so peinliche Schmierenkomödien wie „Schadet
Regietheater der Oper ?“, indem allen Ernstes Personen wie Jürgen
Flimm und Kollegen ausgerechnet zu diesem Thema befragt werden, die
sich dann erwartungsgemäß selbst ausgiebig beweihräuchern und als
Geschenk des Himmels an die Theaterwelt betrachten. Das ist in etwa
so, als würde man eine Talkshow zum Thema „Schadet Rauchen der
Gesundheit?“ senden, zu der ausschließlich Vertreter der
Tabakkonzerne eingeladen und befragt werden. Bitte spart euch das in
Zukunft! Seid ehrlich und inszeniert eure super-intellektuellen,
super-gesellschaftskritischen, super-bewegenden Visionen für euch
und eure Getreuen ergo Kritiker, vorbei an Stück und Publikum und
vor halbleeren Häusern. Die Quittung dafür wird sowieso nicht
ausbleiben, aber verschont uns wenigstens mit scheindemokratischen
Diskussionen. Herzlichen Dank!
opera head
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