Montag, 26. Mai 2014

Glanzvolle Tosca im Schillertheater
am 24.5.2014

Ein gelungener Opernabend, der das Publikum aufwühlt, belebt, beglückt und anregt, ist in den Zeiten der allgegenwärtigen Regietheater-Diktatur eher seltener geworden, zumal man auf vielen Opernbühnen auch Sänger und Sängerinnen zu hören bekommt, die ihren Rollen nur bedingt gerecht werden. Umso schöner, wenn es dann und wann doch noch erfreuliche Ausnahmen gibt.
Eine solche war die 177. Vorstellung der Tosca in der Inszenierung Carl Rihas, einer äußerst erfolgreichen Produktion, die allerdings schon bald durch eine „Neuproduktion“ ersetzt werden wird, die sicherlich gar nicht so neu sein wird – denn außer der althergebrachten, immer gleichen Aktualisierungsmanie hat das sogenannte moderne Regietheater wohl kaum etwas wirklich wichtiges zu bieten - wenngleich seine Macher das auch anders sehen mögen. Die Bühnenbilder von Wolfgang Bellach sind wuchtig und düster, aber sie passen wunderbar zur bedrohlichen Atmosphäre, die sich schon gleich zu Beginn über der Oper ausbreitet. Auffallend ist eine gute Lichtregie, die noch mit Verfolgern arbeitet, was heutzutage ebenfalls einer Seltenheit gleichkommt.Im dritten Akt sehen wir nicht die im Morgenrot schimmernde Kuppel des Petersdoms, sondern befinden uns im Innern der trutzigen Engelsburg; allenfalls hinter den Zinnen sehen wir ein Stück Himmel. Im Mittelpunkt befindet sich jedoch die Zelle des unglücklichen Malers Cavaradossi, der in die Fänge der unerbittlichen Justiz des Polizeistaates geraten ist. Ein Entrinnen kann und wird es daraus nicht geben – diesen Eindruck vermittelt das bedrückend wirkende Bühnenbild.
Qualitativ hochwertige Aufführungen an einer großen Bühne - selbst wenn die (Schauspiel)bühne des Schillertheaters räumlich gesehen kaum als groß zu bezeichnen ist - werden nicht nur durch gute Solisten, sondern auch gute Sänger in  Nebenrollen bestritten. Genau dies wurde vom ersten Moment an deutlich. Sowohl Artu Kataja (Angelotti) als auch Raimund Nolte (Mesner) und Michael Smallwood (Spoletta) konnten stimmlich und darstellerisch voll überzeugen; gerade der linkisch-bigotte Mesner, dessen leichtfertiges Gerede an der Katastrophe ja keinen geringen Anteil hat, wurde von Raimund Nolte hervorragend gespielt.

Béatrice Uria-Monzon stellte eine wunderbare Tosca dar – leidenschaftlich, verzweifelt, naiv und krankhaft eifersüchtig. Ihre flammenden Höhen waren genau das, was diese Rolle braucht. Im dritten Akt waren manche ihrer hohen Töne etwas zu offen, aber beim berühmten Vissi d'arte konnte sie auch hohen Erwartungen gerecht werden, wenngleich man sich stellenweise ein etwas ausgeglicheneres Piano gewünscht hätte. Über die Qualität ihrer Stimme, die der Sängerin ein sehr breites Repertoire gestattet, kann es jedoch keine Diskussion geben.

Gute Tenöre sind ja nicht nur heuer eher Mangelware. Umso erfreulicher, dass Jorge de Leon als Cavaradossi vom Gegenteil überzeugen konnte. Seine kraftvolle, jugendlich-dramatische Stimme bekam der Rolle sehr gut, und von solch strahlenden, voluminösen Höhen könnten viele, ansonsten in den Medien ungleich präsentere Kollegen wohl nur träumen. Mittellage und Mezzavoce klangen stellenweise etwas fest, man hatte den Eindruck, dass der Tenor seine Stimme unnötig drossele, was bei so einem herrlichen Material sehr schade ist. Wenn es ihm jedoch gelingt, auch die Mittellage so locker und unverkrampft wie die Höhe anzugehen, wird er dem Publikum hoffentlich noch lange als für das italienische Tenorfach prädestinierter Sänger erhalten bleiben.

Der lettische Bassbariton Egil Silins war ein furchterregender und einschüchternder Polizeichef Scarpia – ganz  so, wie die Rolle musikalisch und darstellerisch auch angelegt ist. Vom ersten Augenblick an konnte man die Klasse dieser hervorragend geführten, voluminösen (Wagner)stimme genießen. Das Eingangsmotiv des Scarpia – eine düstere, nahezu schwarz wirkende Folge aus einem B-Dur, As-Dur und E-Dur-Akkord kündigt den Mann an, der – genau wie Cavaradossi es beschreibt – als brutaler Henker und bigotter Beichtvater zugleich Rom beherrscht. Wenn nun ein solch skrupelloser Machtmensch dann auch musikalisch so überzeugend dargeboten wird, wie es Egil Silins gelang, kann das Publikum sich ganz in die bedrückende Geschichte dieser Oper hineinversetzen.

Stefano Ranzanis Dirigat war besonders bei den fff-Stellen wuchtig und überzeugend, generell hätte man aber, vor allem zugunsten der Sänger, etwas mehr Differenzierung erwarten können, was bei einem so hochwertigen Klangkörper wie der Staatskapelle Berlin wohl kein Problem darstellen dürfte. Tosender Beifall schloss diesen großartigen Opernabend ab.

Aus der Internetseite der Staatsoper geht hervor, dass es sich bei dieser Vorstellung wohl um die letzte Aufführung dieser Inszenierung gehandelt haben muss, denn schon in der nächsten Spielzeit wird sie durch besagte Neuproduktion ersetzt. Warum? Ist es wieder einmal das äußerst fadenscheinige Argument, dass die Kulissen der nun schon seit 1976 so erfolgreich laufenden Produktion in die Jahre gekommen seien? Oder ist nicht mittlerweile eine gewisse Systematik zu beobachten, mit der die pseudointellektuellen Zwangsbeglücker alte Inszenierungen ausmustern, um die Werke ihren abstrusen Neudeutungen zu unterziehen? Wie immer es auch sei – liebe Theatermacher, bitte seid wenigstens ehrlich! Passieren kann euch, die ihr wie in keinem zweiten Land dieser Welt steuerlich subventioniert werdet, auf dass ihr eurer als "Kunst" deklarierten Minderheitenbespaßung frönen könnt, doch eigentlich gar nichts. Oder doch? Seid ehrlich und initiiert nicht noch so peinliche Schmierenkomödien wie „Schadet Regietheater der Oper ?“, indem allen Ernstes Personen wie Jürgen Flimm und Kollegen ausgerechnet zu diesem Thema befragt werden, die sich dann erwartungsgemäß selbst ausgiebig beweihräuchern und als Geschenk des Himmels an die Theaterwelt betrachten. Das ist in etwa so, als würde man eine Talkshow zum Thema „Schadet Rauchen der Gesundheit?“ senden, zu der ausschließlich Vertreter der Tabakkonzerne eingeladen und befragt werden. Bitte spart euch das in Zukunft! Seid ehrlich und inszeniert eure super-intellektuellen, super-gesellschaftskritischen, super-bewegenden Visionen für euch und eure Getreuen ergo Kritiker, vorbei an Stück und Publikum und vor halbleeren Häusern. Die Quittung dafür wird sowieso nicht ausbleiben, aber verschont uns wenigstens mit scheindemokratischen Diskussionen. Herzlichen Dank!

opera head 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen